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Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Titel: Die dunklen Farben des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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nicht bösartig jedenfalls. Sie schien seine Hilflosigkeit in dieser Sache vor allem faszinierend zu finden. „Es war alles schon da, als ich das Atelier bezogen habe. Ein Tisch, ein altes Sofa – “ Heiterkeit überwältigte ihn, während er sich selbst reden hörte. „Die Lampe, tja – die habe ich gekauft. Aber eine Lampe ist ja auch nicht direkt ein Möbelstück.“
    „Sie wohnen in Ihrem Atelier? Mein Gott, Sie müssen mir unbedingt erlauben, Sie zu besuchen.“
    „Nur die beiden Staffeleien“, fügte er hinzu, ohne auf ihren Einwurf zu achten, „die habe ich selbst mitgebracht. Und einen Stuhl.“
    „Ein Künstler-Loft. In meinem Studium habe ich von so etwas geträumt.“
    Loft war nicht ganz das richtige Wort.
    Er durfte auf keinen Fall zulassen, dass sie einen Fuß in sein Atelier setzte. Sie hatte ein Bild vor Augen, das er nicht zerstören wollte. Zwischen ihnen schien ein Band zu schwingen, das sich jeder Konkretisierung entzog, wie die Spiegelung auf einer Wasserfläche. Er wollte nicht, dass ein Stein hineinfiel und das Bild verzerrte.
    „Und nun?“, fragte sie gut gelaunt. „Sollen wir den Nussbaumtisch kaufen?“
    „Sie finden ihn schön, oder?“
    Helene legte die flache Hand auf die Tischplatte. „Er ist toll. Wenn Sie noch die Stühle dazu nehmen – “
    Er spähte nach einem Preisschild, fand aber nur den Namen der Werkstatt und die Abmaße.
    „Er ist ein Kunstwerk. Stellen Sie ihn in Ihr Esszimmer, hängen Sie noch zwei schöne Gemälde auf, fertig. Der Tisch wirkt für sich selbst.“
    „Ist das die offizielle Beratung?“
    Sie lächelte. „Ich würde den Tisch lieben. Wenn unser Haus nicht schon fertig eingerichtet wäre...“ Ihr Blick verschleierte sich, für einen kurzen Moment. „Nehmen Sie ihn.“
    Er sah ihr zu, wie sie ihr Kleid gerade strich. Dann blickte er herüber zum Verkäufer, der in der Tür seines kleinen Büros stand.
    „Wir nehmen den Tisch“, rief er dem Mann zu. „Und die Stühle.“
     
     
     
     „Dann würde ich vorschlagen, Sie machen eine kleine Anzahlung, und den Rest nach Lieferung.“ Der Verkäufer griff nach einem Kugelschreiber. „Geben Sie mir Ihre Adresse, bitte?“
    Henryk starrte auf die Zahl am unteren Rand des Papierbogens, während er mechanisch seinen Namen und die Straße wiederholte.
    Helene war in der Ausstellung zurückgeblieben und stöberte zwischen den Vasen, die in einem großen Regal neben der Theke ausgestellt waren.
    Diese Zahl war atemberaubend. Er hatte nicht erwartet, dass der Tisch billig sein würde, aber jetzt fühlte er sich benommen wie nach einem Schlag auf den Kopf. Er sah sich die Unterschrift auf dieses Papier setzen, und hörte die Frage des Verkäufers, ob er mit Kreditkarte zahlen wolle, oder per Lastschrift.
    „Lastschrift“, murmelte er. Wenn er dies hier überstanden hatte, musste er seine Bank um eine Kreditkarte bitten. Daran hatte er gar nicht gedacht.
    Die Stimme in seinem Kopf flüsterte, dass er sich das jetzt leisten konnte. Dass es ganz normal war, soviel Geld für einen Tisch und sechs Stühle zu bezahlen. Helene musste wissen, welche Preise sie in diesem Laden nahmen. Trotzdem hatte sie ihn hierher geführt. Das war ihre Welt. Und er wollte daran teilhaben.
    „Kann ich Sie telefonisch erreichen, falls der Liefertermin sich verschieben sollte?“
    Er nannte dem Verkäufer seine Handynummer.
    „Ja dann“, der Mann trennte den Originalbeleg von den Durchschlägen ab, „bedanke ich mich.“ Er reichte ihm die Papiere und streckte ihm die Hand entgegen. „Herzlichen Glückwunsch. Sie haben ein großartiges Stück Handwerkskunst erworben.“
    „Danke“, murmelte Henryk.
    Helene wartete auf ihn vor der Bürotür. „Sollen wir noch weiter schauen“, fragte sie, „oder hast du genug für heute?“
    „Genug.“ Sein Lächeln fühlte sich hölzern an. „Lass uns nach Hause fahren.“
     
     
     
    Sie nahmen nicht den direktem Weg zurück zum Place du Grand Sablon. Ohne Eile schlenderten sie durch gewundene Gassen, an Restaurants und Buchläden vorbei.
    „Sollen wir noch einen Kaffee trinken?“, fragte Helene.
    „Gern.“ Allmählich fiel das Gefühl der Unwirklichkeit von ihm ab. Rue de Chandeliers hieß die Straße, Kerzenziehergasse. Die frische Luft klärte sein Bewusstsein. Er hatte gerade knapp zwanzigtausend Euro für einen Tisch mit sechs Stühlen ausgegeben. Zu spät, sich Vorwürfe zu machen. Er hatte es eben getan, und nun wanderte er die Rue de Chandeliers hinauf, mit Helene

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