Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)
warum ich in diesem Moment nichts dringender wollte, als diesem ganzen Schlamassel, in dem ich steckte, so schnell und schmerzlos wie irgend möglich zu entrinnen.
Als das Handy klingelte, war ich gerade auf dem Weg zum Camino Real, um mir ein neues Motel zu suchen – die Leute beachten einen weniger, wenn man tagsüber eincheckt –, und dachte darüber nach, dass die Karnevalsdekoration sich über Downtown hinaus auf die ganze Stadt ausgebreitet zu haben schien. Ich beäugte das Handy. Es war keine Nummer, die ich kannte.
»Ja«, sagte ich.
»Geilomat! Super, dass ich Sie erreiche, Mr. Bobby! Und noch dazu lebendig!« Es war Foxy, der Albino-Drehwurm.
»Woher zum Teufel haben Sie diese Nummer?«
Er kicherte nur. »Egal jetzt, Dollar-Man! Sie wollten ein Meeting? Sie wollten die große Auktion? Preis ist heiß? Mit Studiopublikum? Haben Sie!«
»Soll das heißen, es ist arrangiert?«
»Morgen Nacht. Mitternacht.« Er summte einen Songfetzen vor sich hin, den ich aber nicht identifizieren konnte. »Da spielt die Musik, Mr. Bobby!«
»Wo?«
»Weiß noch nicht. Aber versprochen, ich ruf an, sobald ich’s weiß.«
»Sie haben denen doch nicht gesagt, ich würde es mitbringen … das Ding, für das sie sich interessieren? Weil das nämlich nicht läuft. Ich will einen Preis vereinbaren, dann arrangiere ich die Übergabe.«
»Keine Sorge, Dollar-Bob, keine Sorge. Läuft alles ganz nach Ihren Detektiven.«
Ehe ich ihn fragen konnte, ob er »Direktiven« meinte, war er weg. Also hatte ich jetzt zu dem ganzen übrigen Scheiß noch gerade mal vierundzwanzig Stunden, um mir zu überlegen, wie ich vor einer Horde von (bestenfalls) Kriminellen etwas versteigern sollte, das ich nie gesehen hatte und noch nicht mal benennen konnte.
Wir hier in San Judas verstehen uns zu amüsieren.
18
GIFTPFEILE UND FIDSCHIMEERJUNGFRAUEN
B ei Nacht war mir die Stadt immer schon am liebsten. Ich glaube, dass San Judas, ja jede Stadt, den Leuten gehört, die dort schlafen. Oder vielleicht auch nicht schlafen – manche schlafen ja nicht –, aber dort leben . Alle anderen sind nur Touristen.
Venedig zum Beispiel zieht pro Tag zigtausend Besucher an und während des dortigen Karnevals sogar eine Million, aber echte Einwohner gibt es nur knapp dreihunderttausend. Nachts sieht man jede Menge leere Straßen und Kanäle, vor allem abseits der Hauptverkehrsadern, und wenn zum Winter die Touristensaison endet, haben die Venezianer die Stadt praktisch für sich allein.
Jude hat Charakter, da sind sich alle einig. Und es hat auch das, was ich an einer Stadt besonders mag: etwas, das man nicht in Besitz nehmen kann. Doch wenn man die Stadt respektvoll behandelt, lässt sie einen irgendwann von selbst ein und macht einen zu einem echten Einheimischen. Aber wie gesagt, man muss dort leben. Wer nie da war, wenn die Lokale schon geschlossen haben oder die Frühaufsteher den nächsten Tag beginnen und die Coffee-Shops und Zeitungskioske ihre Gitter hochziehen, der kennt so eine Stadt doch nicht wirklich, oder?
Jedenfalls liebe ich die Stadt bei Nacht, aber leider konnte ichdiese Seite von Jude derzeit nicht genießen, weil mir so viele verschiedene Leute und Kreaturen, die ihrerseits das Dunkel liebten, an den Kragen wollten.
Trotzdem fühlte ich mich jetzt ein klein wenig besser. Ich war am Abend noch mal bei Orban gewesen und besaß jetzt einhundert Schuss erstklassige .38er Silbermunition, dreißig davon hatte ich bereits in Schnelllader gesteckt, weshalb meine Taschen ganz schön schwer waren. Orban hatte mir auch ein Auto geliehen, eins von denen, die er immer auf dem Gelände stehen hatte, und mein Matador parkte jetzt versteckt hinter den Piergebäuden, wo Orban seine größeren Projekte unter Planen lagerte. (Er stand, genau gesagt, neben einem M41 Walker Bulldog, und ich hatte mich gefragt, ob der Panzer für einen hiesigen Kunden war.) Daher fuhr ich jetzt einen mächtigen, zwanzig Jahre alten Pontiac Bonneville, der fast fertig gepanzert war. Wer zum Teufel ließ sich so ein altes Schlachtschiff panzern? Ich konnte es mir nur damit erklären, dass der Besitzer in diesem Wagen seine Jungfräulichkeit verloren hatte. Jedenfalls, das Ding zu fahren, war, wie einen Ozeanriesen durch eine enge Wasserrinne zu steuern, aber wenigstens war es stabil – und, oh, ich fühlte mich so viel unauffälliger. Ich liebe meine Karre, aber sie ist nur eine Spur dezenter als das Batmobil.
Bevor ich noch mal zu Orban gefahren war, hatte ich in meinem
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