Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)
nach rechts und links. Gleich darauf fuhr ein glänzender langer Wagen vor, und er stieg ein.
Ich folgte dem Wagen in einem gewissen Achtungsabstand. Erleichternd war, dass es dunkel wurde und auf dem Camino Real dichter Pendlerverkehr herrschte. Ich hoffte, dass Howlingfell im Rahmen der Privilegien leitender Angestellter einen Firmenwagen mit Fahrer benutzte, denn sonst würde ich mich mit ihm und der Person, die ihn abgeholt hatte, auseinandersetzen müssen, was die Sache verkomplizieren könnte. Doch als der Wagen nach ein paar Meilen den Camino Real hinunter vor einem Restaurant namens Il Milanese hielt, ging Howlingfell allein rein und der Wagen wartete brav auf dem Parkplatz. Ich sah, wie der Fahrer die Innenbeleuchtung einschaltete, um eine Zeitschrift zu lesen. Also nahm ich mir einen Moment Zeit, um etwas auf einen Zettel zu schreiben, schob diesen in einen Umschlag, klebte den Umschlag zu, steckte ihn in die Tasche und ging in das Restaurant.
Es war ein interessantes Ambiente: moderne coole Einrichtung und lauter Schwarzweißfotos von Italienern aus dem neunzehnten Jahrhundert, die Männer mit steifen Kragen, die Frauen zumeist in voluminösen schwarzen Kleidern, als ob sie das gesamte Jahrhundert hindurch in Trauer gewesen wären. Zum Camino Real hin hatte das Lokal eine Glasfront, und ich fragte mich, ob es mal ein Rund-um-die-Uhr-Coffee-Shop gewesen war. Die Theke mit den feststehenden, drehbaren Barhockern bestätigte meine Vermutung, doch anstelle der Typen mit Truckermützen saßen da jetzt schicke junge Menschen, die Barsnacks aßen und Wodka Red-Bull tranken.
Howlingfell saß im Nebenraum und studierte die Weinkarte, die niedrige, wölfische Stirn in Falten gelegt. Er schrak nicht zusammen, ja schaute noch nicht mal sonderlich überrascht, alsich mich ihm gegenübersetzte, nur seine Hand glitt vom Tisch, und ich wusste, er griff nach seiner Pistole.
»Tun Sie nichts Dummes, Howly«, sagte ich. »Ich will nur reden.«
»Dummes – ich?« Er sah mich finster an und wirkte dadurch erst recht wie etwas, das man im Hühnerstall erwischt, eine leblose Henne zwischen den Zähnen. »Sie sind der, der gerade was Dummes getan hat.« Er brachte die Hand langsam wieder zum Vorschein und legte sie so auf den Tisch, dass die flache Pistole, die sie hielt, seitlich auf der Tischplatte ruhte, genau auf mich gerichtet. Dann drapierte er sorgsam seine Serviette über Hand und Pistole, der Leute an den Nachbartischen wegen. »Warum verderben Sie mir mein Abendessen, Dollar? Was habe ich Ihnen je getan?«
»Weniger als ich Ihnen, das muss ich zugeben. Wissen Sie noch, wie ich auf Ihrem Hals gekniet habe? Ach, das waren Zeiten! Hey, hey, ganz cool bleiben! Ich habe selbst unterm Tisch eine große, alte Pistole, die genau auf Sie zielt. Lassen Sie uns keinen Wettstreit anfangen, wer dem anderen mehr Silber in den Leib jagen kann.«
»Silber. Sie glauben, ich hätte Angst vor Silber? Das haben Sie doch schon ausprobiert.« Seine Oberlippe hob sich verächtlich. »Sie haben meine Eier um ein paar Zentimeter verfehlt, aber es wird trotzdem Wochen brauchen, bis da unten alles verheilt ist, und ich habe gutes Heilfleisch. Meine Freundinnen sind alle stinksauer auf Sie. Ganz davon abgesehen, dass es tierisch wehgetan hat. Ja, Mann, ich glaube, ich werde mir Ihren Scheiß gar nicht erst anhören, ich schieße Ihnen einfach die Fresse weg …!«
»Tun Sie’s nicht. Diesmal drohe ich Ihnen nicht mit Silber, Kumpel. Ich drohe Ihnen mit was viel Schlimmerem.« Ich sah auf. Der Kellner kam auf uns zu. Ich hoffte, dass niemand die Ruhe verlor.
Die Serviette über Howlingfells Hand zuckte bei meiner Bewegungleicht, aber vorerst blieb alles wie gehabt. »Schlimmerem? Und das wäre?«
»Ihr Boss. Moment.«
Der Kellner nahm zwei Wasser von einem Tablett und stellte sie uns hin. »Hi, mein Name ist Eric, und ich werde Sie bedienen«, sagte er munter und geflissentlich bemüht, die merkwürdigen Vibes zwischen uns zu ignorieren. »Was darf ich den Herren bringen?«
»Wodka on the Rocks für mich«, sagte ich. »Ich nehme nur ein paar Knabberstangen, aber mein Freund hier möchte wahrscheinlich essen.«
»Später«, knurrte Howlingfell. »Bringen Sie mir erst mal nur ein Glas Chianti. Den Castello dei Rampolla.«
Als der Kellner davonglitt, sagte ich lächelnd: »Sie haben also wirklich gelernt, edle Weine zu goutieren? Ganz schöne Leistung für jemanden, der auf den glutheißen Bürgersteigen der Via Dolorosa großgeworden
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