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Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Titel: Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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inszeniert ist? Dass die andere Seite die Seelen klaut und es nur ihre Tarnung ist?«
    Er runzelte die Stirn, als wäre ich ein Schulkind, das gerade K-A-T-S-E buchstabiert hat. »Ich will sagen, dass wir ihnen nichts gratis geben werden, und das gilt auch für diese Konferenz. Sagen Sie wahrheitsgemäß aus, was Sie gesehen haben, als die erste Seele verschwunden ist, aber … übertreiben Sie’s nicht. Sagen Sie ihnen nicht mehr. Solange Sie nicht müssen.«
    Ich liebe Anweisungen von oben, die so vage sind, dass, egal was passiert, auf jeden Fall ich schuld bin. Ich bin auch aber nicht blöd, jedenfalls meistens nicht, und deshalb hatte ich nicht vor, mitten in der Lobby des Ralston mit ihm zu debattieren. Ich hatte überhaupt nicht vor, mit ihm zu debattieren. Das ist eine ziemlich sinnlose Art, seine Zeit mit einem höheren Engel zu verbringen. »Natürlich«, sagte ich nur. »Können wir das noch mal durchsprechen, bevor ich vor allen Leuten aussagen muss?«
    Er nickte. »Ausgezeichnet. Frühstück Null-Acht-Null-Null Ortszeit. In dem Restaurant dort. Hören Sie überhaupt zu, Junge?«
    Ich musste den Blick von seinen Schuhen losreißen, die so glänzend waren und so tief schwarz, dass ich zu sehen glaubte,wie sie das Raum-Zeit-Gefüge um sich herum verzerrten. »Null-Acht-Null-Null.« Ich blickte auf das Schild. »Café Belmont.«
    Er musterte meine Zivilklamotten von oben bis unten. Nach der Woche, die ich hinter mir hatte, mochten da ein paar Flecken sein. »Sie wollen doch nicht das da tragen? Wir repräsentieren den Himmel, Junge. Den Höchsten.«
    »Ich habe einen Anzug.«
    »Gut.« Er schien zu überlegen, was er als Nächstes sagen sollte. Nachdem er seine Worte bisher mit dem Tempo und der Präzision eines Scharfschützen abgefeuert hatte, schien das gar nicht zu ihm zu passen. »Ich habe mich über Sie kundig gemacht, Engel Doloriel.«
    Warum missfiel mir das? Etliche Gründe hätte ich spontan nennen können. »Ach ja?«
    »Ich habe gehört, Sie waren in der Ausbildung bei Erzengel Lochagos Leo. Draußen in Camp Zion. Wenn Sie einer von Leos Jungs sind, ist das ein ganz schönes Gütesiegel.«
    »Äh … ja.« Dieses Idol, dieser ruhmreiche Führer der himmlischen Heerscharen, hatte Leo gekannt? Meinen Leo?
    »Er war ein guter Mann.« Bedeutsame Pause. »Ich habe mehr als einmal mit ihm gearbeitet.« Aus Karaels Mund klang arbeiten , was in seinem Fall mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Krieg hieß, wie das Glorreichste, was ein Engel tun konnte – was es für ihn vermutlich auch war. »Ein Jammer, dass wir ihn auf diese Art verloren haben.« Er ließ jetzt endlich meinen Arm los. »Also, dann. Null-Acht-Null-Null. Denken Sie dran, Sie sind nicht nur ein Engel, Sie sind ein Harfenmann. Das heißt etwas. Ich möchte Sie nicht wieder in diesem Aufzug sehen.«
    Ich starrte ihm nach, wie er gemessen davonschritt, so gerade wie das Lineal eines Architekten. Er war keineswegs einer der Hünenhaftesten im Raum, und es gab zweifellos etliche, die einschüchternder waren, und doch hätte ich ihn um nichts in derWelt erzürnen wollen. Aber was war das eben gewesen, über Leo, den jetzt schon so lange unwiederbringlich toten Leo? Ein Hinweis. Eine Warnung? Jedenfalls kribbelte mein Arm immer noch, wo Karael, der Dämonenbezwinger, zweifellos ein paartausend Kapillaren unter seinen rechtschaffenen Fingern zerquetscht hatte.
    Obwohl Karaels Körper im Großen und Ganzen so aussah, wie ich ihn mir vorgestellt hätte, war es doch ein merkwürdiges Gefühl, ihn und so viele andere wichtige Engel in Fleischesgestalt zu sehen. Sie zeigen sich nicht oft hier unten – so gut wie nie. Die hohen Herren der Hölle halten sich natürlich gern auf der Erde auf: Wenn Ihr häusliches Ambiente hauptsächlich aus Lavaströmen, Gruben mit geschmolzenen menschlichen Fäkalien und dem ständigen Schreien der Gepeinigten bestünde, würden Sie Ihre Zeit wohl auch lieber am Arbeitsplatz verbringen. Aber die hohen Engel standen gewöhnlich – ha, ha – über solch irdischen Lockungen. Man sah sie natürlich jenseits der Reißverschlüsse, aber dort brauchten sie sich ja nicht zu verkörpern.
    Auf dem Weg zum Lift sah ich mich ängstlich um, weil ich weitere Begegnungen vermeiden wollte, aber ich erkannte keins der Gesichter; was mich nicht betrübte.
    Mein Zimmer war ganz nett, wenn sich auch jemand große Mühe gegeben hatte, die Wände noch enger zusammenzurücken als in durchschnittlichen Hotelzimmern. Ich kam

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