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Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Titel: Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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gleichermaßen politisch trocken und unverkennbar feindselig zu sein, etwa durch Formulierungen wie »unsere höchst realen Differenzen kurzeitig beiseitezulassen, um das gemeinsame Problem anzugehen«. Für unsere Seite sprach Eremiel, knapp und bisweilen sogar witzig, etwa als er, bezogen auf den Vorsitzenden, sagte: »… der ehrenwerte Adramelech – was wohl das erste Mal ist, dass diese Wörter in enger Verbindung ausgesprochen werden.« Da lachten sogar ein paar Höllenleute.
    Und bevor jemand seines Amtes enthoben werden konnte, gab es weitere Reden, insgesamt etwa eineinhalb Stunden lang. Es schien, als ob jeder, der je einen Heiligenschein angepasst oder einen Dreizack zugeteilt bekommen hatte, zu Wort kommen wollte. Bei den Delegierten der Hölle reichte das Spektrum von den fiesen Agitatoren, die Ähnlichkeit mit professionellen Glaubenseiferern hatten und sich darüber beklagten, dass grundsätzlich ihre Seite missverstanden und stigmatisiert werde, bis zu den typischen Politbüro-Schranzen, jener Sorte Schreibtischtäter, die Folter- und Hinrichtungsbefehle unterzeichnen und dann einem Lunchbüffet zusprechen, bevor sie wieder an die Arbeit gehen, und deren Grundposition zu dem ganzen Himmel-Hölle-Konflikt lautete: »Lüge, Lüge, alles Lüge. Wir werden euch eines Tages fertigmachen.«
    Meine Seite hatte natürlich zu alldem ein Pendant aufzufahren, nur dass das Spektrum eher von militanten christlichen Falken am einen Ende bis zu grauen kleinen EU-Bürokraten am anderen ging. Jedenfalls war, als die Präliminarien endlich beendet waren, ein Riesenhaufen Nichts gesagt worden, aber der ganze große Saal stank von aggressiver Einschüchterung. Klar geworden war nur eins: Keine Seite gedachte irgendeine Schuld am Verschwinden der Seelen auf sich zu nehmen. Dann begann der Aufmarsch der Zeugen.
    Ich bemühte mich, konzentriert zu bleiben – man wusste ja nie, wann jemandem etwas entschlüpfte, das sich als wichtig erweisen konnte –, doch aufgrund ihres Gastgebervorrechts machte die Gegenseite den Anfang und rief einen nicht enden wollenden Strom von kleinen Höllenfunktionären auf, damit diese in allen Details erklärten, wie sie gemerkt hätten, dass etwas im Argen liege, ohne auch nur die Möglichkeit eines Irrtums ihrerseits einzuräumen oder etwas Substantielles über die inneren Abläufe der Hölle preiszugeben. Kurzum, es war zum Einschlafen. Zweifellos der offiziellen Marschroute ihrer Partei folgend,deuteten die meisten Zeugen der Hölle dunkel an, nur der Höchste, der ja gern seine eigenen Gesetze mache, könne so etwas durchziehen. Der Einzige, der wirklich meine Aufmerksamkeit weckte, war ein dürrer kleiner Unterteufel, der selbst in Menschengestalt aussah, als würde er beim Armdrücken gegen Olive Oyl verlieren. Er sagte, ein nicht namentlich genannter Erzdämon und Vorgesetzter habe ihm versichert, die Seelen müssten in irgendeinem sicheren Haus des Himmels hier auf der Erde versteckt sein, so wie prominente Überläufer, denn außer Oben und Unten gebe es ja sonst keinen Ort, wo sie hinkönnten.
    »Im Tartarus-Abkommen ist ausdrücklich festgelegt, dass ohne Zustimmung des Himmels und der Hölle kein neues Territorium aufgemacht werden darf«, erklärte er streberhaft. »Und eine solche neue Vereinbarung hat es nie gegeben. Ich habe es nachgeprüft.«
    Während einige Leute auf der anderen Seite des Saals über diesen einfältigen Grünschnabel lachten, beugte ich mich vor. Ein Puzzleteilchen, das an prominenter Stelle neben meinem unvollendeten mentalen Puzzle gelegen hatte und die Aufschrift Warum die Feder? trug, schien plötzlich seinen Platz gefunden zu haben. Ich sah verstohlen zu Eligor hinauf, der mit anderen Höllenwürdenträgern auf dem hinteren Teil des Podiums saß, aber sein gelassenes, spöttisches Grinsen war unverändert. Sein Freund Caym jedoch erklärte die Aussage des dürren Dämons schnell für beendet und schickte diesen wieder zu seinen buhenden und pfeifenden Kameraden hinab. Ich fragte mich, ob Eligor sich gerade vorstellte, wie sich dieser gesprächige dürre Unterling als dämonisches Makramee à la Grasswax machen würde.
    Bald darauf war der Himmel an der Reihe, den gesamten Saal zu Tode zu langweilen, wenn auch, als Sam einer Reihe wenig mitteilsamer himmlischer Sesseldrücker in den Zeugenstandfolgte, seine Aussage ein paar unterhaltsame Momente bot. Adramelech schien sich dafür zu interessieren, was Sam zu sagen hatte, während Caym nur konzentriert

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