Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)
eheähnlichsten Phase, als in den meisten Nächten einer von uns in der Wohnung des jeweils anderen genächtigt hatte. »Nicht dorthin. Da muss man um diese Tageszeit eine halbe Stunde auf einen Tisch warten. Lass uns ins Oyster Bill’s gehen.«
» Oyster Bill’s ? Der French Toast dort schmeckt wie Pappdeckel.« Sie zog die Augenbrauen zusammen. »Du kriegst dochnicht schon wieder die Panik, Dollar? Ein besoffener Fick, und schon ergreifst du wieder die Flucht? Ich wollte nur ein paar anständige Pfannkuchen.«
»Nein, alles bestens«, sagte ich nicht ganz wahrheitsgemäß. »Aber im Bill’s gibt es morgens schon Alkohol, und auf dem Weg dorthin ist ein Drogeriemarkt.« Im Moment brauchte ich eine Handvoll Aspirin und einen Bloody Mary dringender, als es sich jemand vorstellen konnte, der nicht unlängst den überaus unappetitlich präparierten Leichnam eines Höllenanklägers gesehen hatte.
Unser Frühstück zog sich bis mittags hin. Ein paar Konterwodkas stabilisierten meinen Kopf, und wir lasen hauptsächlich Zeitung, aber so langsam fühlte sich das Ganze doch beängstigend gemütlich an. Ich meine, ich mag Monica wirklich sehr, aber … na ja, mehr auch nicht. Sie schien in unserer Beziehung immer Dinge zu sehen, die ich nicht sah. Außerdem sah die Mathematik unserer Beziehung offenbar so aus, dass wir für jede Woche Spaß, die wir miteinander hatten, anschließend eine Woche damit verbringen mussten, uns gegenseitig unglücklich zu machen. Auf dieses karmische Payback wollte ich mich nicht noch mal einlassen – es war auch so schon alles kompliziert genug.
»Also, was ist los mit dir, Bobby?«, fragte sie irgendwann. »Du hast letzte Nacht praktisch kein Wort gesagt.«
»Hast du mich dafür mit zu dir genommen – zum Reden?«
Ihr tadelnder Blick war halb gespielt. »Sei nicht so. Es war schön, und du hast es auch so empfunden. Ich mache mir nur Sorgen um dich. Du warst einfach so … ich weiß nicht, irgendwie komisch drauf. Wegen Grasswax und diesem Walker und allem.«
Darüber zu reden war das Letzte, was ich wollte. Bestenfalls bedeutete ihre Fragerei, dass sie wieder mütterlich-behütende Gefühle für mich entwickelte, und schlimmstenfalls … ich hattekeine Ahnung, was es schlimmstenfalls bedeuten konnte, aber es beunruhigte mich, dass sie sich so für meine beruflichen Erlebnisse der letzten Tage interessierte. Paranoia kann auch schlichte Vorsicht sein, zumal, wenn man Vollzeit in der Welt des Unwahrscheinlichen lebt, so wie ich.
Der aufziehende Rückfall in alte Gewohnheiten machte mich ganz schön nervös – ich wollte nicht wieder dieser Typ werden. »Nur der übliche Scheiß mit kleinen Abwandlungen«, beschied ich sie, während ich die Rechnung orderte. »Ich muss los, hab zu tun. Bleib du ruhig noch und trink in Ruhe deinen Kaffee aus.«
»Du gehst?« Sie lächelte wehmütig. »Okay. War schön. Wie in den alten Zeiten.«
»Und ob.« Ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte, also beugte ich mich zu ihr und küsste sie – auf den Mund, aber ohne irgendwelche Versprechungen. »Wir sehen uns wahrscheinlich heute Abend. Im Compasses , meine ich.«
»Oh, klar«, sagte sie. »Im Compasses .« Ich fühlte ihren Blick auf meinem Rücken, als ich hinausging. Einer Eingebung folgend, wartete ich dreißig Sekunden und ging dann noch mal in einem anderen Winkel am Fenster vorbei. Sie hatte ihr Handy am Ohr und sprach mit ernstem Gesicht hinein. Bewies natürlich gar nichts, beruhigte mich aber auch nicht gerade. Und jetzt fühlte ich mich wirklich wieder wie dieser Typ, der Man-kannniemandem-trauen-Typ. Sich so zu fühlen, ist nicht angenehm, was einer der Hauptgründe war, warum ich’s seingelassen hatte.
Es war warm für einen Tag so früh im Jahr, und am Wasser war alles voller Mittagspausengenießer, die einen Lunch aus der Tüte verzehrten oder einfach nur den Bay-Wind spüren und die Boote beobachten wollten. Als meine Gehirnzellen ihre Funktionsfähigkeit wiedererlangt hatten, war mir eingefallen, dass ich ja Sam versprochen hatte, ihm morgen den Jungen abzunehmen, was hieß, dass dieser Nachmittag meine einzige Chance war, mich, sofern die Arbeit es zuließ, auf eine kleine Erkundungsmissionzu begeben: Ich wollte zur Universität, um vor dem Abend das Water Hole und Umgebung schon mal ein bisschen auszukundschaften.
Und ich wollte auch ein bisschen allein sein, um nachzudenken. Manche Leute können das vielleicht, während sie eine nicht ganz entspannte Unterhaltung mit
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