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Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Titel: Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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kommen können. Sie hatte langes, dunkles Haar mit eingeflochtenen Glöckchen und ähnlichem Schnickschnack und trug ein figurtarnendes dunkles Kapuzensweatshirt, Jeans und Sandalen. Sie blinzelte mich an, als ob es total abwegig wäre, an diese Haustür zu klopfen. »Yeah?«
    »Hi. Ich heiße Robert Dollar und arbeite fürs Vista Magazine. Es tut mir leid, dass ich Sie in einer solchen Situation belästige, aber telefonisch konnte ich niemanden erreichen. Ist Mrs. Walker da?«
    Sie sah mich an, als hätte ich sie gefragt, ob Fische fliegen können. »Es gibt keine Mrs. Walker. Das müssten Sie doch wissen. Meine Großmutter ist vor fünf Jahren gestorben.«
    »Oh, tut mir leid – natürlich.« Ich hatte nicht damit gerechnet, auf reale Menschen zu treffen, und obwohl ich einen Teil der Informationen von Fatback in einem Ordner in der Hand hielt, war ich doch noch nicht groß dazu gekommen, ihn zu lesen. »Dann sind Sie also Mr. Walkers Enkelin. Meinen Sie, Sie hätten ein paar Minuten für mich? Wir bringen demnächst … na ja, eine Art Hommage an Ihren Großvater, und ich würde mich gern vergewissern, dass die Einzelheiten stimmen. So was entsteht ja immer überstürzt, weil niemand damit gerechnet hat …«
    Kurz wich der irritierte Ausdruck auf ihrem Gesicht normaler Traurigkeit. Sie war eigentlich ganz hübsch, aber auf eine Art träge, die sie nicht besonders helle wirken ließ. »Stimmt – echt niemand.« Sie zuckte die Achseln. »Also meinetwegen, kommen Sie rein. Moment, sollten Sie sich nicht irgendwie ausweisen?«
    Ich habe mehr Ausweise als ein internationaler Schmugglerring, und ich habe gelernt, den richtigen so flink zu finden wie ein Bühnenzauberer. Ich zückte ihn. Sie starrte mit zusammengekniffenen Augen darauf, winkte mich dann rein, führte mich in einen großen offenen Wohnraum und ließ sich aufs Sofa plumpsen, ohne mir einen Platz anzubieten. Das andere Sofa war zu weit weg, also hockte ich mich auf einen Puff näher bei ihr und bemühte mich, wie ein Journalist auszusehen. Sie bot mir nichts zu trinken an – wenn sie mir etwas holen gegangen wäre, hätte ich mich währenddessen so gründlich wie möglich umgesehen –, also tat ich mein Bestes, den Raum so nebenbei zu inspizieren. Es handelte sich offensichtlich um das Wohnzimmer eines gebildeten Mannes oder jedenfalls eines Mannes, der für gebildet gehalten werden wollte, denn eine Wand des vorwiegend in Weiß gehaltenen Raums wurde von einem riesigen Bücherregal dominiert. Es enthielt hauptsächlich Bücher, aber in den Fächern stand auch ganz beiläufig einiges an erlesener Volkskunst. An den übrigen Wänden hingen ein paar Bilder, hauptsächlich schwarzweiße Ansel-Adams-Fotodrucke von dramatischen Landschaften ohne irgendwelche störenden menschlichen Gestalten. Über die Sofas waren Schaffelle drapiert, und auf vielen waagrechten Flächen sah ich hübsche Zeugnisse mesoamerikanischer Keramikkunst. Alles wirkte auf teure Art geschmackvoll, zugleich aber ein wenig vernachlässigt – auf einigen Stücken meinte ich Staub zu erkennen.
    Ich schlug Fatbacks Bericht auf und überflog ihn unauffällig. Da, gleich am Anfang der biografischen Daten, stand das, was ich mir bereits hätte angeeignet haben müssen – verwitwet, Name der Frau war Molly gewesen. Und die Enkelin hieß …
    »Sie müssen Posie sein, richtig?«
    Sie nickte. »Wie die Blume.«
    Als ich von der Berichtseite aufblickte, fiel mir ein imposanter Maya-Kalender aus rotem Ton auf, der hinter der jungen Frauam Kamin hing. »Das ist ja ein schönes Stück«, sagte ich. »Ist er echt?«
    Sie drehte sich um, kniff die Augen zusammen und zuckte dann die Achseln. Allmählich hatte ich den Eindruck, dass sie normalerweise eine Brille oder Kontaktlinsen trug. »Keine Ahnung. Grandma und Grandpa haben immer von überall Zeug mitgebracht. Ich glaube, das Ding ist aus Mexiko oder so.«
    Mühevoll lenkte ich das Gespräch von Dingen, über die Posie nicht viel wusste, auf Dinge, über die sie gar nichts zu wissen schien – zum Beispiel auf die Gründe für den Selbstmord ihres Großvaters. Wobei ich sie das natürlich nicht direkt fragte.
    »So ein Schock für uns alle.« Ich schüttelte den Kopf. »Ihr Großvater war ja so ein vielbewunderter Mann. Er schien doch so vieles zu haben, wofür es sich zu leben lohnt.« Ich senkte die Stimme zu einem respektvollen Beinahe-Flüstern. »Ich will ja nicht neugierig sein – und das kommt auch garantiert nicht in den Artikel –, aber

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