Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Freundin tuschelt. »Jemand, den ich mal kannte, pflegte zu sagen, ich müsse mir anspruchsvollere Ziele setzen – ›das ist doch, wie blinde Fische in einem winzigen Bottich zu schießen‹, war seine Formulierung. Aber ich sehe sie nun mal so gern heulen und betteln, weil sie am Anfang so von sich überzeugt sind – vor allem die Jungs …!«
    »Falls Sie mich schockieren wollen, müssen Sie schon stärkere Geschütze auffahren.« Doch ich war mir dieser Hand auf meinem Bein so überdeutlich bewusst, als wäre sie eine Giftspinne. Nur nicht ganz auf die gleiche Art. »Es kümmert mich wirklich nicht, womit Sie Ihre Zeit verbringen, Gräfin. Mir hat es nur die Möglichkeit gegeben, Sie zu treffen und ein paar Sachen zu fragen.«
    Die Nägel gruben sich noch etwas fester in mein Bein. Sie befeuchtete ihre ohnehin schon so feuchtglänzenden Lippen. »Und? Haben Sie jetzt alles gefragt, was Sie fragen wollten?«
    Das wurde ja in einem Höllentempo immer seltsamer. Verstehen Sie mich nicht falsch – ich hatte schon mit Mitgliedern der Verführungsbrigade unserer Gegenspieler zu tun gehabt, und sie alle üben einen Zauber aus, dem ein armer kleiner Engelmann wie ich nicht gewachsen ist, aber die Gräfin war ein anderes Kaliber. Ein ganz anderes Kaliber. Ich hatte Angst, sie könnte ihre Hand höher hinaufgleiten lassen und fühlen, wie aufgesetzt meine Ich-bin-kein-bisschen-beeindruckt-Show war. »Okay, eins noch«, sagte ich. »Als ich gestern nach Hause kam, musste ich feststellen, dass ich Besuch von der Brennenden Hand gehabt hatte. Können Sie mir dazu irgendwas sagen? Bin ich jemandem von Ihrer Seite auf die Zehen getreten?«
    »Nachdem ich Sie operieren gesehen habe, kann ich mir kaum vorstellen, wie Sie das geschafft haben sollten. Aber ich würde es ohnehin bezweifeln. Ich vermute, dass Ihnen da jemand einenStreich gespielt hat. Die Brennende Hand – na ja, das ist eher ein Ammenmärchen. Ich habe seit Jahren nicht mehr gehört, dass jemand tatsächlich eine verpasst bekommen hat.«
    »Dann ist es vielleicht Zeit, die Datenbank zu aktualisieren.« Ich zog mein Handy aus der Tasche, holte ein Foto von meiner Wohnungstür aufs Display und hielt es ihr vors hübsche Gesicht. »Wie würden Sie das nennen?«
    Volltreffer – oder jedenfalls huschte erstmals ein Ausdruck über ihr Gesicht, der nicht Teil ihrer Dämonenkönigin-Nummer war. Sie nahm die Hand von meinem Bein. Das Verrückte war, dass ich da nicht nur Überraschung sah, sondern auch eine Spur Angst, was mich völlig verwirrte. Was konnte einer Person, die regelmäßig in den Gesellschaftsspalten der Hölle figurierte, Angst machen?
    Woher auch immer es rührte, es verschwand sofort wieder, wie der Schatten von etwas, das sich bewegt. »Sie haben halb recht, Mr. Dollar. Das ist eine brennende Hand – aber es ist nicht die Brennende Hand.«
    »Was soll das heißen?«
    Die Hand legte sich wieder auf mein Bein und drückte es sanft. Die Nägel waren so spitz, dass sie sich durch den Denim in die Haut bohrten. »In den alten Zeiten wurden Leute, die sich nicht an ihre Abmachungen mit uns halten wollten, durch das Zeichen einer schwarzen, eingebrannten Hand auf ihrer Tür zurechtgewiesen – aber die Hände, die diesen Abdruck hinterließen, waren menschlich, jedenfalls von der Größe her. Da ist die Überlieferung ganz eindeutig. Sofern Sie nicht in einem Zwergenhäuschen wohnen, würde ich sagen, die Hand, die das hier hinterlassen hat, war mindestens so groß wie eine Eisbärentatze.« Sie hielt ihr eigenes Händchen hoch – das, das nicht meinen Oberschenkel bearbeitete. Ihre langen, spitzen Nägel waren unlackiert, aber sehr sauber. »Mit anderen Worten, es war nichts Menschengroßes.«
    Ich spürte, dass da noch etwas war, das sie mir sagen wollte, aber ich spürte auch, dass sie es mir nicht jetzt sagen würde: Plötzlich war da zwischen uns so was wie eine Wand. Ich beschloss, Schadensbegrenzung zu betreiben und zuzusehen, ob ich ohne Feuergefecht aus dem Water Hole hinauskommen konnte. Ich löste ihre Hand von meinem Bein und glitt aus der Sitznische, doch genau in dem Moment barst die Kneipentür auf und mehrere große und bullige Gestalten drängten herein, sodass vom orangefarbenen Natriumlicht der Parkplatzlampen fast nichts mehr zu sehen war. Verstärkung.
    »Danke, Gräfin«, sagte ich. »Sie haben mir sehr geholfen.«
    »Sie sind niedlich, Dollar. Falls Sie die nächsten paar Minuten überleben, dürfen Sie mich Casimira nennen, wenn wir