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Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Titel: Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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war er krank?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Glaub ich nicht. Aber solche Sachen hat er uns sowieso nie erzählt.«
    »Hatte er sonst jemanden, mit dem er intimere Dinge besprach?«
    »Wie – intim?«
    Ich wollte stöhnen, stand aber stattdessen auf. Ich begann, mir die Bücherregale näher anzusehen und sie unauffällig (jedenfalls hoffte ich das) mit meinem Handy zu fotografieren. »Ich meine vertraulich – irgendwelche Leute, mit denen er geredet hat. Alte Studienfreunde, Kollegen … einen Geistlichen …?«
    »Geistlichen!« Sie lachte sarkastisch. »Das ist echt witzig. Grandpa hat jede Art von Religion gehasst. Er hat gemeint, das ist doch alles nur ein Haufen Hokuspokus, um den Leuten ihr Geld abzuluchsen.«
    Ich nickte. »Tja, dann natürlich keinen Geistlichen, aber Freunde muss er doch gehabt haben. Ihr Großvater war ja sehrbeliebt. Hatte er irgendjemanden, mit dem er …. schwierige Entscheidungen besprochen hat?« Ich fragte sie nicht sonderlich verblümt, mit wem ich sonst reden könnte, aber sie stand auf der Leitung. Inzwischen hatte ich allerdings kapiert warum – sie war nicht unbedingt dumm, sie war nur bekifft: Als ich mich an ihr vorbeibewegt hatte, war mir von ihrem Sweatshirt und ihrem Haar unverkennbarer Grasgeruch in die Nase gestiegen.
    »Nö. Höchstens seine alten Freunde von HT, schätz ich mal.«
    »HT?«
    Jetzt war wieder sie irritiert. »Holo Tech? Die Firma, die er gegründet hat?«
    »O ja, klar.« Hausaufgaben, Dollar. »Ich hatte Sie nur nicht richtig verstanden.«
    »Und dann war da noch dieser nette alte Afrikaner. Weiß seinen Namen nicht mehr.«
    »Afrikaner?«
    »Ja, so eine Art Arzt oder was. Er hat Grandpa immer besucht, und dann haben sie dagesessen und geredet. Ich hab ihn hier ein paarmal gesehen. Echt netter Typ, der Alte. Hat geredet, als ob er aus England wär oder was, aber Grandpa hat mir gesagt, er ist aus Afrika.«
    »Könnten Sie seinen Namen für mich herausfinden? Vielleicht … vielleicht hat er ja noch irgendwelche besonderen Dinge über Ihren Großvater zu erzählen, die wir in den Artikel aufnehmen können.«
    Sie rollte die Augen und streckte sich. »Yeah, aber nicht jetzt. Ich krieg Besuch.« Sie sah auf die Wanduhr. »Muss jeden Moment kommen …«
    Ich verstand den Hinweis. Auf dem Weg zur Haustür zog ich eine Karte aus meiner Brieftasche. »Rufen Sie mich an oder mailen Sie mir, wenn Sie den Namen dieses Herrn aus Afrika wieder wissen oder Ihnen sonst noch etwas Interessantes einfällt, okay? Sie haben mir sehr geholfen.«
    »Mhm«, sagte sie. Ich hatte schon weniger enthusiastische Einwilligungen gehört, konnte mich aber auf die Schnelle nicht erinnern, wann.
    Draußen öffnete ich einen Reißverschluss und trat ins Außerhalb hinüber, aber der Aufräumtrupp war sehr gründlich gewesen: Da war nichts mehr zu sehen, keine Spuren von Grasswax’ grässlichem Ende und auch sonst nichts Brauchbares. Ich trat wieder in die reale Welt ein und stieg in meinen Wagen. Es war fast schon Zeit, meinen Babysitterdienst bei Clarence anzutreten.
    Ich war noch keine zwei Blocks weit gekommen, als ich merkte, dass mir jemand folgte. Es war so auffällig, dass ich nicht wusste, ob ich lachen oder sehr, sehr beunruhigt sein sollte, denn wenn derjenige, der mir folgte, nicht komplett unfähig war, dann sollte ich ihn bemerken, und wenn ich ihn bemerken sollte, dann deshalb, weil da jemand glaubte, dass ich sowieso nichts dagegen tun konnte. Wie auch immer, kampflos hinnehmen würde ich es jedenfalls nicht. Ich fuhr langsam die University Avenue entlang, um mir den anderen Wagen genauer ansehen zu können. Es war irgendein roter Lowrider mit zu viel Chrom und einer Art Lufthutze auf der Motorhaube. Ich befand, dass nicht mal die Dämonen der Hölle raffiniert genug waren, um so plump zu sein, also fuhr ich nicht wieder auf den Freeway, sondern über die Brücke hinüber nach Ravenswood, einem Viertel, das den größtmöglichen Gegensatz zu Walkers grünem Palo Alto bildete. Der Ravenswood-Kult der Sechzigerjahre war längst vorbei, und die Leute auf der reichen Seite des Freeways waren zu der vertrauteren Strategie zurückgekehrt, ihre östlichen Nachbarn komplett zu ignorieren, sodass jenseits des Bayshore jetzt wieder ungestört Armut herrschte. Es musste die Bewohner besonders erbittern, aus dem Fenster zu schauen und in der einen Richtung die stolze Skyline von Palo Alto und gleich nördlich davon die blitzenden Türme von Mission Shores zu sehen.
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