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Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Titel: Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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den Regierungssitz für den gesamten Bereich irdischer Angelegenheiten.
    »Was sollen wir hier?«, fragte ich, bekam aber keine Antwort. Dann waren wir drinnen – offensichtlich erwartete man uns, da wir mit keinem der imposanten Engel, die den Eingang bewachten, interagieren mussten. Wir erschienen auf einer Seite eines mächtigen steinernen Tischs in einem Raum, gefühlt so groß wie Pasadena, mit dreißig Meter hohen Fenstern, durch die das schimmernde Licht des Himmels hereinfiel. Ein Fluss – ein richtiger Fluss! – schlängelte sich durch die Substanz des glänzenden Fußbodens, wobei er um den Tisch einen weiten Bogen machte, und die Musik des fließenden Wassers war das einzige Geräusch in dem riesigen Raum. Auf der anderen Seite des Tischs schwebte ein Quintett leuchtender Gestalten – fünf wichtige Engel. Fünf sehr wichtige Engel sogar, zwei (vom Aspekt her) männlich, zwei weiblich und einer weder noch.
    »Dies ist Ihr Ephorat«, sagte Temuel und benannte dann die wartenden Engel von links nach rechts. »Karael, Chamuel, Terentia, Anaita und Raziel.« Einige der Namen waren mir nur zu bekannt. Ich hatte nie den geringsten Wunsch verspürt, vor einem von ihnen zu stehen, geschweige denn vor allen gleichzeitig.Ein Ephorat ist ein Gerichtsgremium, das zusammentritt, um über eine bestimmte Sache zu befinden. Wie hohe Engel das Ephorenamt erlangen, weiß niemand genau, aber dass diese fünf Ephoren waren, hieß, dass hier etwas auf höchster Ebene behandelt wurde. War ich solche Aufmerksamkeit wert? Hatten sie ein Ephorat zusammengerufen, weil über mich geurteilt werden sollte? Ich hatte keine Ahnung, hoffte aber inständig, dass nein. Doch worum es auch ging, ich hatte es jetzt mit den ganz hohen Tieren zu tun.
    »Willkommen, Doloriel«, sagte das schrecklich schöne, gnadenvolle und liebende Gleißen, das Terentia war. Sie war ganz Farbenspiel unter einem strahlend weißen Glanz und schien diese kleine Versammlung zu leiten. »Gott liebt Sie.«
    Ich beugte den Kopf. Es war unmöglich, sich in einem Raum so voller Engelsleuchten nicht überwältigt zu fühlen, sich nicht vorzukommen wie ein Kind in Gegenwart Respekt einflößender Erwachsener. Und noch unmöglicher war es, sich nicht zu fürchten. »Danke, Ephora.«
    »Wir sind besorgt wegen gewisser Geschehnisse auf der Erde«, sagte der herrliche Jüngling namens Karael in seiner Rüstung aus glitzerndem Elektrum, und schon unter der Berührung seiner mächtigen Gedanken schwanden mir fast die Sinne. Seine Farben waren dunkler als die von Terentia, waberndes Schwarz und Rot unter seiner Helligkeit, wie Steine auf dem Grund eines schnellfließenden Stroms. Karael war in der ganzen Himmlischen Stadt bekannt. Er war einer der Engelkrieger, ein Veteran des Sturzes, und er verströmte Macht und Stärke. Ich fragte mich, welch kompliziertes himmlisches Protokoll ihm in dieser Versammlung einen Platz hinter Terentia zuwies. »Wir möchten alles hören, was Sie über die Seele namens Edward Lynes Walker wissen.«
    Jetzt war ich schon nicht mehr ganz so beunruhigt: Dieses Ephorat befasste sich offenbar mit dem Walker-Fall, nicht mitmir persönlich. Was mich natürlich nicht retten würde, wenn sie zu dem Schluss kamen, dass ich Mist gebaut hatte, aber zumindest ging es nicht nur um Bobby D.
    Ich erzählte ihnen alles, was ich wusste. Na ja, nicht jeden zweiflerischen Gedanken, der sich je in meinem tiefsten Herzen geregt hatte, aber alles übrige – von Fatback, dem Water Hole , Walkers Enkelin und ihrem dämlichen Boyfriend, sogar von meinem Treffen mit der Gräfin von Coldhands. Ich würde nicht so weit gehen zu behaupten, die höheren Engel könnten Gedanken lesen, aber so viel steht fest: Es bräuchte eine stärkere Seele als den Erzähler, um vor einer Gruppe vereidigter Ephoren irgendetwas Wichtiges zu verschweigen. Ich hatte einen Mordsschiss. Den hätten Sie auch, wenn Ihre unsterbliche Seele auf diese Weise durchleuchtet würde.
    »Warum nehmen Sie solche Mühen auf sich, um mit dieser Gräfin zu sprechen?«, fragte Anaita, als ich fertig war. »Mal abgesehen von dem Risiko, einen Zwischenfall zu provozieren, wie Sie ihn beinahe provoziert hätten?« Sie schien die Sanfteste unter den Fünfen, mit der Stimme eines unschuldigen jungen Mädchens und einer Erscheinung, so zart wie ein Regenbogen, kurz bevor er im Sonnenlicht verblasst, aber ich machte mir nichts vor – »sanft« ist relativ, wenn die Rede von einem Geschöpf ist, das wahrscheinlich

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