Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)
fangen oder töten, aber außerdem glauben sie, dass ich etwas weiß. Oder etwas habe, das sie haben wollen.«
Clarence wirkte plötzlich ein bisschen nervös. »Glauben Sie, die kommen wieder?«
»Wenn ich hier bleiben würde? So gut wie garantiert. Deshalb nächtige ich heute in irgendeinem Stunden-Motel und morgen in einem anderen ähnlich charmanten Etablissement.«
»Glaub mir, er hat schon an schlimmeren Orten gepennt«, sagte Sam.
»Danke, dass du mich vor dem Jungen in ein so vorteilhaftes Licht rückst.« Jetzt, da die Kartons in meinem Auto waren, sah das Apartment trist (und nahezu ordentlich) aus. »Kommt, wir gehen in die Kneipe an der Ecke«, sagte ich. »Ich spendiere euch ein Mittagessen, bevor noch das Telefon klingelt und jemand von uns sich wieder mit irgendwelchen toten Leuten herumschlagen muss.«
Gerade als wir fertig gegessen hatten, wurde Sam zu einem Klienten nach Spanishtown gerufen, und Clarence begleitete ihn, also ging ich allein zu meinem Auto. Ich zog meine Jacke über, weil die Februarsonne doch noch ein bisschen schwach war. Wenn der Frühling sich nur beeilen würde! Es ist komisch, aber selbst regelmäßige Trips ins ewig herrliche Wetter des Himmels ändern nichts dran, dass man sich danach sehnt, eines Tages aus der Haustür zu treten und zu merken, dass es warm geworden ist und man in der Jacke plötzlich schwitzt.
Auf dem Weg durch den Hoover Park hielt ich die Augen offen, obwohl ich mir fast sicher war, dass das dämonische Monster eine reine Nightshow war. Ich sagte ja bereits, wie viel Energie es kostet, etwas so Ungewöhnliches und Beängstigendes aufrechtzuerhalten, aber es dazu zu bringen, sich am helllichten Tag zu manifestieren, ist noch zehnmal schwerer. Dennoch, etwas graduell Zivilisierteres als der Ghallu hatte mein Apartment auf den Kopf gestellt, und die filigrane Arbeit, Grasswax an seinen eigenen Nervenfasern aufzuhängen, hatte wohl auch nicht die gehörnte Bestie vollbracht, also versuchte ich, mich nicht von den sorglosen Zivilisten um mich herum ablenken zu lassen.Ich entdeckte den Mann, der vor meinem Haus wartete, schon aus einiger Entfernung, was mir reichlich Zeit gab, ihn im Weitergehen genauer zu mustern.
Mein Wagen stand ein Stück die Straße runter, und ich hätte ihn vielleicht erreichen können, ohne mich auf eine Konfrontation einzulassen, doch der Typ wirkte nicht besonders einschüchternd. Er war ziemlich groß, aber bleich und dünn – sehr dünn, das war mit das Erste, was mir auffiel: Er sah aus wie ein Vierzehnjähriger im Anzug seines Vaters. Er stand auch nicht still, sondern wippte und steppte auf der Stelle, offenbar ohne jedes Bewusstsein, wie er wirkte, obwohl eine Frau mit Kinderwagen und ein alter Mann mit Einkaufstüte einen großen Bogen um ihn machten. Und seine Haut war so bleich – blutleer-weiß –, dass ich einen schaurigen Moment lang dachte, sein dunkler Schlabberanzug sei das Outfit, in dem er begraben worden war.
Es schien unnötiger Aufwand, an ihm vorbei zu meinem Wagen zu huschen, und außerdem war ich ein bisschen neugierig, also ging ich weiter direkt auf ihn zu. Als er mich schließlich hörte, wirbelte er herum und sah mich an, und mir wurde klar, dass er lebendig war und mehr als nur bleich – er war eine Art Albino, obwohl er gelbbraune Augen hatte und keine rosafarbenen. Und interessanterweise war er nicht nur Albino, sondern auch Asiate – eine Kombination, die man nicht oft sieht, nicht mal im kosmopolitischen San Judas. Und wichtiger noch, nach seinen ersten Worten schien offenkundig, dass mein pigmentloser asiatisch-amerikanischer Freund nicht ganz richtig im Kopf war.
»Dollar Bob?«, sagte er freudig. »Mr. Bobby D? Dollar-Man?« Er hörte einen Moment lang auf herumzuwippen und runzelte die Stirn, wobei sich sein ganzes Gesicht zur Sockenpuppenversion einer tragischen No-Theater-Maske verzog. »Oder wieder nicht? So viele Leute haben schon nein gesagt! Nein, nein, nicht Dollar!«
»Wer zum Teufel sind Sie?« Meine Wortwahl war nicht gänzlich zufällig. Er hatte etwas vom Look der Gegenseite, aber das konnte auch einfach an seiner Albinohaut liegen.
»Sie kennen mich nicht? Jeder kennt mich! Ganz Downtown!« Er kicherte und vollführte einen weiteren kleinen Gummisohlen-Stepp.
»Tja, ich nicht – und ich will’s auch gar nicht.« Aber er roch nicht nach echter Gefahr, jedenfalls in meiner Wahrnehmung. Trotzdem ließ ich die Hand in der Jackentasche, wo sich mein .38er verbarg.
Seine
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