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Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Titel: Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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anderen Bay-Seite kaputtgemacht wurde, dann noch mal zwanzig Jahre später, als der Shoreline-Vergnügungspark endgültig zumachte. Geblieben waren kleine Gewerbeparks, Einlagerungscontainer und Partybedarfsfirmen sowie ein paar Apartmentblocks und Läden für eine Population vonEx-Schauerleuten, Alkies und natürlich dem einen oder anderen Engel.
    Als ich die Charleston in Richtung Bay entlangfuhr, sah ich zu meiner Rechten die Skelettreste des Shoreline Parks – das filigrane Gerüst der Achterbahn vor dem zunehmenden Mond wie ein Spinnennetz. Andauernd ersannen Leute neue Projekte, die die kleine menschengemachte Insel wieder in einen Motor der lokalen Wirtschaft verwandeln sollten – Hotels, Bürokomplexe, ja sogar einen Golfplatz mitten in der Bucht –, aber irgendwie wurde nie etwas daraus, und der stillgelegte Vergnügungspark rostete und gammelte vor sich hin. Benutzt wurde er anscheinend nur noch als Location für apokalyptische Low-Budget-Filme.
    4442 East Charleston war ziemlich genau das, was ich erwartet hatte, eins dieser einstöckigen, in etliche Einheiten unterteilten Gewerbegebäude, die kleine Klitschen beherbergen, das Businesswelt-Äquivalent zur Insel der nichtsnutzigen Spielzeuge. Suite D war leer und verrammelt, was ich ebenfalls erwartet hatte. Ich hätte mein Einbruchswerkzeug (auch dazu keine näheren Auskünfte) mitbringen sollen, aber es lag in einem der Kartons mit dem Krempel aus meinem Apartment, und ich hatte keine Zeit gehabt, es zu suchen. Von außen sprach jedenfalls nichts dafür, dass die Gewerbesuite irgendwann in letzter Zeit benutzt worden war, aber aus reiner Gewissenhaftigkeit klopfte ich trotzdem ein paarmal an, laut und deutlich.
    Aus den Geschäftsräumen der Magianischen Gesellschaft kam keine Reaktion, doch aus Suite C nebenan tauchte schließlich ein zerknitterter Typ mit einem Mehr-als-drei-Tage-Bart auf und wollte wissen, wen ich suchte. Ich fragte mich, ob er von seiner Frau rausgeworfen worden und in seine Werkstatt gezogen war (was sich als zutreffend erwies). Er hatte eine kleine Schleiferei, die auf das Schärfen irgendwelcher exotischer Industrieklingen spezialisiert war, und war ganz gesprächig – ein bisschen zu gesprächig. Er erzählte mir schon in der ersten Minute,dass er die Mieter von Suite D nie gesehen habe, nicht wisse, was sie herstellten oder verkauften, und sich oft gefragt habe, ob der Raum überhaupt genutzt werde, aber dann kostete es mich weitere zehn Minuten, ihm wieder zu entkommen, was mir erst gelang, nachdem ich seine Maschinen bewundert und mehrfach das Angebot eines Biers abgelehnt hatte.
    Auf der ganzen Rückfahrt zu meinem Motel am anderen Ende der Stadt wälzte ich die neuesten Informationsschnipsel in meinem Kopf. Ich wusste jetzt, dass der Afrikaner wirklich mit der Magianischen Gesellschaft zu tun hatte, und ich kannte seinen Namen oder zumindest sein Pseudonym. Und da er so schnell ins Walkersche Haus geeilt war, um seine Spuren zu verwischen, wusste er offenbar, dass ich ihn suchte. Ich hatte von dem Klingenschleifer Namen und Adresse des Vermieters der Gewerbeeinheiten bekommen und beschlossen, diesen Ansatz morgen zu verfolgen, wenn mir das Glück hold war und die Zahl der Todesfälle in San Judas weiter so übersichtlich blieb. Also hatte ich jetzt frei.
    Doch kaum dass ich das dachte, klingelte das Handy und beorderte mich zu einem Herzinfarkt in einem Apartmentblock in Spanishtown.
    Der Verstorbene, auf den ersten Blick der geliebte Patriarch einer weitläufigen honduranisch-amerikanischen Familie, erwies sich als ein fieser alter Kotzbrocken, dem all meine Bemühungen, ihn als Produkt seiner Kultur und Zeit hinzustellen, nicht helfen konnten. Er hatte zwar niemanden ermordet oder vergewaltigt, aber sein Führungszeugnis war miserabel, und ich konnte von Glück sagen, dass er mit tausend Jahren Fegefeuer davonkam. Ich dachte sogar insgeheim, dass es ihm hoffentlich eine Lektion sein würde – noch beim Anblick seines eigenen Leichnams und seiner keineswegs traurigen Familie beschwerte er sich, dass er Besseres verdient habe. Er keifte immer noch, als ihn das Licht davonführte.
    Jedenfalls war es unersprießlich und anstrengend, und als ich durch den Reißverschluss wieder ins reale Spanishtown hinübertrat, war es fast zwei Uhr morgens. (Falls ich’s noch nicht erwähnt habe: Während man im Außerhalb ist, vergeht im Innerhalb die Zeit weiter, wenn auch nicht immer im selben Tempo.) Ich wollte nur zurück in mein

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