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Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Titel: Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry , K. Schatzhauser
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sie war ein Werkzeug in der Hand Gottes. Sie hatte keinen Anlass, sich zu sorgen, konnte ihre schlechten Träume vergessen.

    Am nächsten Tag würde sie, im Bewusstsein dessen, dass sie die Billigung des Himmels besaß, mit Gaben für die Jungfrau Maria zur Hagia Sophia gehen, um ihr zu danken. Vielleicht würde sie ihr sogar eine ihrer minder wertvollen Ikonen opfern.

KAPİTEL 37
    Giuliano Dandolo freute sich, wieder in Konstantinopel zu sein. Die Vitalität der Stadt begeisterte ihn, und er empfand die Toleranz und den Weitblick ihrer Bewohner als ebenso wohltuend wie den Wind, der vom Meer herüberwehte. Jedes Mal, wenn er sie sah, wuchs sie ihm mehr ans Herz.
    Diesmal war er im Auftrag des Dogen Contarini gekommen, um zu sehen, ob sich die Byzantiner endlich an das beim Zusammenschluss mit Rom Vereinbarte hielten oder, wie man gerüchtweise hörte, nach wie vor lediglich Lippenbekenntnisse ablegten und im Übrigen taten, was sie wollten.
    Eigentlich hätte ihn freuen müssen, was er bisher gesehen hatte, lieferte es doch hinreichend Anlass für die Annahme, dass es Gründe für die Teilnehmer am nächsten Kreuzzug gab, dort Station zu machen und die Stadt zu erstürmen. Doch trotz der Aussicht auf ungeheure Gewinne für Venedig konnte sich Giuliano nicht darüber freuen. Die Hinweise auf den Widerstand, den die Byzantiner gegen die Union mit Rom leisteten, ließen ihn Schlimmes befürchten. Bisher war es nicht gelungen, diesen Widerstand dadurch zu brechen, dass man seine Anführer geblendet,
verstümmelt, des Landes verwiesen oder in großer Zahl eingekerkert hatte. Viele der Gegner des Zusammenschlusses hatten Zuflucht in separatistischen byzantinischen Gebieten gesucht. Besonders unangenehm war für Kaiser Michael, dass sich zahlreiche seiner Verwandten aktiv an Verschwörungen gegen ihn beteiligten. Es sah ganz so aus, als werde er aus allen Richtungen angegriffen.
    Auch wenn der Kaiserpalast verglichen mit der Pracht Venedigs ärmlich wirkte, so war er doch von bemerkenswerter Schönheit. Allerdings wies er nach wie vor überall Spuren von Feuersbrunst und Plünderungen auf, und nirgendwo sah man den blassen Schimmer von Marmor und die unendlichen Brechungen des Lichts, an die Giuliano gewöhnt war.
    Als er aber Kaiser Michael gegenüberstand, erkannte er, dass er es mit einem Mann zu tun hatte, der ganz und gar in sich ruhte. Wohl waren in seinem Gesicht Anzeichen von Ermattung zu erkennen, doch nicht der geringste Hinweis auf Furcht. Er empfing Giuliano höflich und erwies sich als geistreicher Gastgeber. Unwillkürlich empfand Giuliano außer Mitleid auch eine gewisse Bewunderung für ihn. Was auch immer ihm fehlen mochte, Mut war es gewiss nicht.
    »Natürlich muss auch bedacht werden, was weiter im Osten geschieht«, sagte ein Eunuch namens Nikephoros zu Giuliano, während er ihn nach der Audienz hinausgeleitete.
    Während er durch einen Gang mit Deckengewölbe und Mosaikfußboden neben ihm herging, rief sich Giuliano in Erinnerung, worüber er mit dem Kaiser gesprochen hatte.
    »Alles befindet sich in beständigem Wandel«, fügte Nikephoros hinzu. Ihm war anzumerken, dass er seine Worte
sorgfältig wählte. »Im Augenblick hat es zwar den Anschein, als stehe die nächste Bedrohung in Gestalt des nächsten Kreuzzugs aus dem Westen unmittelbar bevor, doch müssen wir meiner Ansicht nach den Osten ebenso fürchten, wenn nicht sogar noch mehr. Es ist einfach so, dass die Bedrohung aus dem Westen als Erste kommen wird, wenn wir uns nicht mit Rom einigen, wie sehr auch immer wir uns dagegen stemmen mögen. Mit dem Osten aber wird eine Einigung nicht möglich sein.« Er sah Giuliano an. »Man wird die Dinge sehr sorgfältig abwägen müssen, und es lässt sich nur schwer sagen, in welche Richtung wir uns zuerst wenden sollten.«
    Giuliano hätte gern etwas Kluges und zugleich Mitfühlendes gesagt, ohne dabei herablassend zu klingen oder Venedig in den Rücken zu fallen, aber ihm fiel nichts ein. »Anfangs war ich der Ansicht, die Politik der Republik Venedig sei vergleichsweise unkompliziert«, sagte er schließlich. »Aber in Wahrheit ist es so, als wenn man mit einem Boot hinausführe, das an zehn verschiedenen Stellen ein Leck hat.«
    »Ein treffender Vergleich«, lobte Nikephoros. »Aber mit derlei Dingen haben wir Erfahrung, wir können eine solche Situation ganz gut bewältigen.«
    Auf der großen Freitreppe stieß Giuliano auf einen weiteren Eunuchen, der allem Anschein nach gleich ihm den Palast

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