Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman
Leben bezahlen.« Sie tat einen Schritt zurück, als er sich anschickte, auf sie zuzukriechen. Seine Kehle verengte sich, und seine Augäpfel traten weit vor. Speichel lief ihm aus dem Mund, und aus seiner Brust kam ein entsetzliches abgehacktes Geräusch. Dann erbrach er einen großen Schwall Blut. Er stieß einen Schrei aus und bekam einen Erstickungsanfall, während er wieder Blut spie. Seine Augen verdrehten sich vor Entsetzen, wobei er sich keuchend zu schlucken bemühte und langsam erstickte.
Sie sah noch einige Augenblicke zu, bis sein Gesicht völlig verfärbt war und er regungslos dalag. Sie ging um ihn herum, nahm ihre Ikone wie auch den Dolch an sich und wickelte beides sorgfältig in das Seidentuch und die Ölhaut. Dann trat sie zur Tür und öffnete sie lautlos. Niemand war zu sehen. Geräuschlos schritt sie über den Marmorboden und durch das große geschnitzte Tor hinaus ins Freie. Sabas, der auf sie gewartet hatte, trat aus dem Schatten. Diener würden Arsenios finden und annehmen, dass er an einer inneren Blutung gestorben war. Vielleicht würde man schlussfolgern, dass infolge zu großen Weingenusses ein Blutgefäß geplatzt war.
An jenem Abend feierte Zoe den Erfolg mit dem besten Wein, den sie im Hause hatte. Mitten in der Nacht wurde sie zitternd und von Schweiß bedeckt in der Dunkelheit wach. Ihr war übel. Sie hatte geträumt, sie sehe Arsenios erneut auf dem Boden liegen, wie er Ströme von Blut erbrach und die Gesichter der Ikonen an der Wand über ihm seinem Entsetzen zusahen. Sie lag steif im Bett. Was, wenn seine Diener ahnten, dass er an Gift gestorben war? Bestand die Möglichkeit, dass jemand klug genug war, Hinweise darauf zu finden? Ach was. Sie war mit äußerster Vorsicht zu Werke gegangen. Er hatte einen entsetzlichen Tod erlitten – zwar rasch, aber voller Qualen und Entsetzen.
Als der Tag heraufdämmerte, war es nicht mehr so schlimm. Sie sah die Wirklichkeit ihres Hauses um sich, ihre Diener, die sich darin bewegten. Als Sabas hereinkam, wagte sie ihm anfangs nicht in die Augen zu sehen, dann aber konnte sie den Blick nicht von ihm nehmen. Was wusste er? Falls sie einem Diener gegenüber eine Erklärung abgab, wäre das für beide peinlich – und dennoch war ihr danach, es zu tun. Sie empfand das verzweifelte Bedürfnis, nicht allein zu sein.
In der nächsten Nacht waren ihre Träume noch schlimmer. Es kam viel mehr Blut darin vor, und Arsenios’ Todeskampf dauerte länger. Sie sah seine auf sie gerichteten hervorquellenden Augäpfel, die ihr buchstäblich die Kleider vom Leib starrten, bis sie mit hängenden Brüsten und dem widerlich vorgewölbten Unterleib vor ihm stand, nackt und verletzlich. Er kroch ihr über den Boden nach, ließ sich durch das Gift nicht lähmen, erstickte nicht, starb nicht. Er griff nach ihrem Fußknöchel, wobei der gleiche Schmerz sie durchfuhr, den sie gespürt hatte, als er ihr Handgelenk gepackt hatte.
Er hatte sie töten wollen! Das hatte er selbst gesagt. Ihr war keine Wahl geblieben. Ihre Handlungsweise war gerechtfertigt. Es war Notwehr gewesen, auf die jeder ein Anrecht hatte.
Erneut erwachte sie, von Kopf bis Fuß mit Schweiß bedeckt. Die Gewänder klebten ihr am Leibe. In dem Augenblick, als sie die Decke beiseitewarf und aufstand, erfasste sie Eiseskälte. Zitternd kniete sie sich auf den Marmorboden, die Hände zum Gebet so fest gefaltet, dass die Knöchel im Kerzenlicht weiß schimmerten.
»Heilige Jungfrau, Muttergottes«, flüsterte sie mit belegter Stimme. »Vergib mir, wenn ich gesündigt habe. Ich wollte damit lediglich verhindern, dass er die Ikonen behalten konnte, die dem Volk gehören. Bitte vergib mir, wasch mich von meinen Sünden rein.«
Sie legte sich, immer noch vor Kälte zitternd, wieder ins Bett, wagte aber nicht einzuschlafen.
In der folgenden Nacht wiederholte sie ihr Gebet, kniete diesmal aber länger auf dem Boden und teilte der Muttergottes mit, welche Ikonen der Frevler Arsenios an sich genommen und all die Jahre behalten hatte – ganz abgesehen von den weniger kostbaren und minder schönen, welche die Vatatzes an die Meistbietenden verkauft hatten.
Am vierten Tag kam die Nachricht, um die sie gebetet hatte. Inzwischen war Arsenios Vatatzes beerdigt. Es hieß allgemein, er sei kurz nach Zoes Besuch einer Magenblutung erlegen. In nichts von dem, was sie hörte, lag der geringste Anflug eines Vorwurfs. Sie war davongekommen!
Die Schlussfolgerung lag auf der Hand: Der Himmel stand auf ihrer Seite,
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