Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Titel: Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry , K. Schatzhauser
Vom Netzwerk:
Weben und sogar zum Färben der Stoffe. »Wir haben viel von Euch gelernt«, sagte er ein wenig unbeholfen.
    Anastasios lächelte und zuckte die Achseln. »Vielleicht hätte ich nicht fragen sollen. Damit habe ich die Tür zu einer ehrlichen Antwort aufgestoßen.«
    Giuliano war erstaunt. Die Antwort war taktvoller, als er erwartet oder vielleicht auch verdient hatte. Er erwiderte das Lächeln. »Wir sind noch dabei zu lernen, werden aber wohl die Lebendigkeit und Vielfalt des Denkens in dieser Stadt nie erreichen.«
    Anastasios neigte dankend den Kopf, dann verabschiedete er sich mit einer Selbstverständlichkeit, als könnten sie einander jederzeit wieder begegnen.
    Mit leichtem Schritt ging Giuliano die Treppe hinab. Anastasios war in der Zeit der Vertreibung geboren worden, die vor über siebzig Jahren begonnen hatte, und da er noch recht jung zu sein schien, waren wohl auch seine Eltern nach der Plünderung Konstantinopels außerhalb der Stadt zur Welt gekommen, wie auch seine eigene Mutter. Da sie
aus einer rein byzantinischen Familie stammte, dürfte sie von einem ausgeprägten Hass auf Venedig erfüllt gewesen sein. Doch wieso nur hatte sie dann ausgerechnet einen Venezianer geheiratet? Nachdem er, in Wind und Sonne stehend, so freimütig mit einem anderen verlorenen Kind des Exils gesprochen hatte, das fern seiner inneren Heimat zur Welt gekommen war, fühlte er einen stärkeren Drang als je zuvor, mehr über die Frau zu erfahren, deren Sohn er war.
    Er machte sich daran, überall herumzufragen, wo er Auskünfte erhoffen durfte. Dabei kam er mit zahlreichen interessanten Menschen in Berührung und schließlich auch mit einer deutlich über siebzigjährigen Frau, die als kleines Kind nach dem Fall der Stadt mit ihren Eltern vor den marodierenden Heeren der Kreuzfahrer geflohen war. Sie hatte eine ausgeprägte Persönlichkeit und war früher, wie er vermutete, wohl eine ausgesprochene Schönheit gewesen. Noch jetzt war sie von einer tiefen Leidenschaftlichkeit, die ihn faszinierte. Diese Zoe Chrysaphes schien bereit, mit ihm über ihre Heimatstadt, deren Geschichte, Bewohner und Legenden zu sprechen. Von dem großen Raum aus, in dem sie ihn empfing, schweifte der Blick weit über die Dächer der darunterliegenden Häuser und das ganze Panorama der Stadt. Während sie dort neben ihm stand, fast ebenso groß wie er, sagte sie: »Ich habe mich nie weit von Byzanz entfernt. Hier schlägt mein Herz, hier sind die Wurzeln, aus denen mir meine Lebenskraft zuströmt. Während der Vertreibung hat meine Familie zuerst in Nikaia gelebt, dann im Norden, in Trapezunt und Samarkand sowie an den Gestaden des Schwarzen Meeres. Einmal ist sie noch weiter gezogen, bis nach Georgien, aber nur für kurze Zeit. Doch nie habe ich die Hoffnung aufgegeben, wieder nach Hause zurückzukehren.«

    Erneut peinigte ihn das Bewusstsein, dass Venezianer wie er daran mitgewirkt hatten, das Heer der Kreuzfahrer nach Konstantinopel zu bringen. Es schien töricht, die Frau zu fragen, warum sie sich so sehr nach dieser Stadt gesehnt hatte, die sie nach so vielen Jahren kaum noch gekannt haben dürfte und in der keiner ihrer Angehörigen mehr lebte. Lieber stellte er ihr die Fragen, auf die es ihm ankam. Immerhin war es denkbar, dass er keine zweite Gelegenheit dazu bekommen würde, und sein Bedürfnis, die Antwort zu erfahren, nahm immer mehr zu. »Ihr kennt all die alten Familien«, sagte er übergangslos. »Wisst Ihr auch etwas über Theodoulos Agallon?«
    Sie rührte sich nicht, während sie zurückgab: »Ich habe von ihm gehört. Er lebt schon lange nicht mehr.« Mit einem Lächeln fügte sie hinzu: »Wenn Ihr mehr über ihn erfahren wollt, lässt sich das sicher bewerkstelligen.«
    Er wandte sich ab, damit sie die Verwundbarkeit in seinen Augen nicht sah. »Meine Mutter war eine geborene Agallon. Ich wüsste gern, ob es da eine Verbindung gibt.«
    »Tatsächlich?« Sie klang interessiert, nicht neugierig. »Wie war ihr Vorname?«
    »Magdalena.« Schon den Namen auszusprechen bereitete ihm Schmerzen, als enthülle er damit unwiederbringlich etwas zutiefst Privates. Er spürte einen Kloß im Hals und schluckte. Vermutlich lebte seine Mutter nicht mehr, falls aber doch, wollte er auf keinen Fall mit ihr zusammentreffen. Unsicher wandte er sich erneut Zoe zu.
    Sie sah ihn unverwandt mit ihren leuchtend goldfarbenen Augen an.
    »Ich werde mich umhören«, versprach sie. »Dabei muss ich an eine alte Geschichte denken«, sagte sie, »die man

Weitere Kostenlose Bücher