Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman
kam.
Selbstverständlich durfte er keinesfalls die Möglichkeit außer Acht lassen, dass der Heilige Vater zu Vicenze unter Umständen etwas gänzlich anderes gesagt hatte.
Einstweilen war es Palombaras wichtigste Aufgabe, sich mit Bischof Konstantinos zu befassen, da dieser an der Spitze all jener stand, die nach wie vor standhaft gegen die Union eintraten. Da es sich als sinnlos erwiesen hatte, mit dessen Eunuchen Argumente auszutauschen, galt es, ihn zu bekämpfen. Das war kein angenehmer Gedanke, aber zu viele Menschenleben hingen davon ab, als dass man es sich hätte leisten können, zimperlich zu sein. Es ging lediglich noch um die Frage, welche Mittel man dafür einsetzen sollte.
Der Arzt Anastasios hatte stets an Konstantinos’ Seite ausgeharrt, selbst in Zeiten, als unter den Armen der Stadt Hunger und Krankheit gewütet hatten. Wenn jemand die
Schwächen des Bischofs kannte, dann er. Allerdings war sich Palombara dessen bewusst, dass der Arzt sie unter keinen Umständen preisgeben würde, schon gar nicht einem Abgesandten Roms, einem Mann. Die Aussicht, ihn hintergehen zu müssen, sagte Palombara nicht im Geringsten zu.
Dann kam ihm ein Gedanke, der raffiniert und gefährlich zugleich war. Er versetzte sich an die Stelle Konstantinos’, der entschlossen war, die Freiheit der orthodoxen Kirche um jeden Preis zu verteidigen, und überlegte, wer ihm dabei am meisten im Weg stand. Das war eindeutig Kaiser Michael. Wenn man ihn beseitigte und einen fest im orthodoxen Glauben verwurzelten Mann an seine Stelle setzte, der weder Michaels Klugheit noch dessen Entschlusskraft besaß, wäre alles andere überflüssig.
Diese Überlegung machte es doppelt dringlich, ein Treffen mit Anastasios herbeizuführen. Bruchstücke einer Unterhaltung über frühere Verschwörungen und Mordfälle kamen Palombara in Erinnerung. Dabei waren auch die Namen von Kaiserfamilien wie Laskaris und Komnenos gefallen. Er musste an die Vertrautheit denken, die zwischen Zoe Chrysaphes, der byzantinischsten aller Frauen, und Anastasios zu bestehen schien, wie auch daran, dass dieser von Zeit zu Zeit den Kaiser behandelt hatte.
Es dauerte über eine Woche, bis sich die von ihm gewünschte Gelegenheit von selbst ergab. Er hatte sich bemüht, dafür zu sorgen, dass er Anastasios wie zufällig über den Weg lief, und schließlich begegneten sie einander auf dem kleinen Hügel oberhalb des Hafens. Palombara, der gerade mit einem Fährboot angekommen war, sah Anastasios auf der Straße. Es war früher Abend, die Sonne stand tief, so dass man in ihrem goldenen Schimmer die Wunden
der Stadt nicht sah, die von ihrer Verwüstung und Armut zeugten.
»Das ist meine liebste Tageszeit«, sagte Palombara wie beiläufig, als sei es ganz natürlich, dass sie einander nach so langer Zeit wiedersahen.
»Tatsächlich?«, fragte Anastasios. »Freut Ihr Euch auf die Nacht?«
Er hielt an, so dass sich Anastasios aus Höflichkeit genötigt sah, ebenfalls stehen zu bleiben. »Ich meinte damit nur diesen kurzen Zeitraum, nicht, was davor war oder danach kommt.«
In Anastasios’ Augen flackerte Interesse auf.
Palombara lächelte. »Die Schatten spenden eine Gnade, die uns das harte Licht des Morgens nicht gönnt.«
»Seid Ihr ein Befürworter von Gnade, Herr?«, fragte Anastasios erwartungsvoll.
»Ich liebe die Schönheit«, bog Palombara die Frage ab. »Ich liebe die Unwirklichkeit des sanften Lichts – es gestattet uns zu träumen.«
Das Lächeln, das jetzt auf Anastasios’ Züge trat, erleuchtete sein ganzes Gesicht. Es erschien Palombara mit einem Mal schön, weder Mann noch Frau, doch zugleich auch keine Entstellung des einen oder des anderen.
»Ich bin genötigt zu träumen«, erklärte er rasch. »Die Wirklichkeit ist hart, und sie wird uns schon bald ihre Früchte zeigen.«
»Meint Ihr damit etwas Bestimmtes?« Anastasios warf einen Seitenblick auf die Trümmer eines Turms, die man nach wie vor nicht beseitigt hatte. »Seid Ihr immer noch darauf bedacht, uns zu überreden, dass wir uns nicht nur vertraglich, sondern auch mit unseren Herzen zum Zusammenschluss mit Rom bereitfinden sollen?«
»Charles von Anjou wartet nur auf einen Vorwand, Konstantinopel erneut zu erobern. Das ist Eurem Kaiser bekannt. «
Anastasios nickte. »Er wäre angesichts einer geringeren Bedrohung kaum zur Union mit Rom bereit.«
Palombara zuckte zusammen. »Das ist bitter. Sollten wir Christen nicht zusammenstehen? Im Osten reckt der Islam drohend sein
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