Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Titel: Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry , K. Schatzhauser
Vom Netzwerk:
dass man ihm in jungen Jahren genommen hatte, was ihn zum Mann gemacht hätte. Erneut bemühte sich Zoe, etwas zu sagen. Falls es ihr gelang, mit ihm Verbindung aufzunehmen, würde sie vielleicht die Panik verjagen können, die in ihr emporstieg.
    »Steht nicht so tatenlos herum, Esel!«, fuhr Helena den Arzt an. »Seht Ihr nicht, dass sie leidet? Warum tut Ihr nichts? Ihr wisst wohl nicht weiter?«
    Der Eunuch nahm nach wie vor keine Kenntnis von ihr und schien damit beschäftigt, Zoes Gesicht zu studieren.

    »Raus!«, gebot Helena. »Wir werden einen anderen Arzt holen.«
    »Bringt mir einen Becher leichten Wein mit zwei Löffeln Honig darin«, gebot der Arzt. »Löst den Honig gut auf.«
    Helena zögerte.
    »Bitte beeilt Euch«, drängte er.
    Sie wandte sich auf dem Absatz um und ging hinaus.
    Er strich wieder Salbe auf die Wunden und legte dann einen lockeren Verband an. Es stimmte, was er gesagt hatte: die Salbe linderte die Schmerzen, sie ließen allmählich nach.
    Helena kehrte mit dem Wein zurück. Der Arzt nahm den Becher und hob Zoe vorsichtig an, bis sie saß und den Becher selbst in die Hände nehmen konnte. Zu Anfang fühlte sich ihre Kehle an wie aufgerissen, doch Schluck für Schluck setzte die Linderung ein, und als sie den Becher halb geleert hatte, konnte sie sprechen.
    »Danke«, sagte sie mit belegter Stimme. » Wie schlimm werden meine Narben sein?«
    »Wenn Ihr dafür sorgt, dass die Salbe auf den Wunden bleibt und sie nicht verunreinigt werden, gibt es mit etwas Glück vielleicht keine«, gab er zurück.
    Zoe hatte Menschen mit Brandwunden gesehen und wusste, dass Verbrennungen immer Narben hinterließen. » Lügner! «, stieß sie zwischen den Zähnen hervor. Erneut war ihr Körper steif und leistete den Armen, die sich um sie legten, Widerstand. »Ich weiß, wie Brandwunden aussehen, denn als Kind habe ich miterlebt, wie die Kreuzfahrer die Stadt in Schutt und Asche gelegt haben«, sagte sie. »Ich habe das brennende Fleisch von Menschen gerochen und Körper gesehen, von denen Ihr nicht denken würdet, dass es einmal Menschen waren.«

    Voll Mitgefühl in den Augen sah der Eunuch sie an, doch war Zoe nicht sicher, ob sie Mitgefühl wollte.
    » Wie schlimm wird es?«, zischte sie.
    »Ich habe es Euch gesagt«, gab er gelassen zurück. »Wenn Ihr Euch richtig um die Wunden kümmert und die Salbe verwendet, wird es wohl keine Narben geben. Die Verbrennung reicht nicht tief, deswegen hat sie auch so sehr geschmerzt. Eine Verbrennung, die tief geht, verursacht keine Schmerzen, heilt dafür oft aber nicht.«
    » Vermutlich wollt Ihr zweimal bezahlt werden, wenn Ihr morgen oder übermorgen noch einmal kommt«, blaffte Zoe.
    Der Arzt lächelte, als ob ihn das belustigte. »Selbstverständlich. Macht Euch das Sorgen?«
    Zoe lehnte sich leicht zurück. Mit einem Mal war sie entsetzlich müde. Die Schmerzen hatten so sehr nachgelassen, dass sie sie fast vergessen konnte. »Nicht im Geringsten. Meine Dienerin wird sich um alles kümmern.« Sie schloss die Augen. Damit war der Arzt entlassen.
    Zoe erinnerte sich kaum an etwas von dem, was in den nächsten Stunden geschah, und als sie erwachte, war es um die Mitte des folgenden Tages. Helena stand neben dem Bett und sah auf sie hinab. Das Licht, das zum Fenster hereinfiel, zeichnete ihre Züge scharf. Zwar war ihre Haut ohne Fehl und Tadel, aber im hellen Sonnenschein war die sich verhärtende Linie ihrer Lippen ebenso zu erkennen wie eine leichte Lockerung des Bindegewebes unter dem Kinn. Helena sah besorgt drein, bemühte sich aber um einen neutralen Gesichtsausdruck, als sie merkte, dass ihre Mutter wach geworden war.
    Zoe sah sie kalt an. Mochte Helena ruhig Angst haben. Sie schloss absichtlich wieder die Augen und hielt sie damit
auf Abstand. Das Machtverhältnis zwischen ihnen hatte sich verändert. Helena hatte ihr Schmerzen zugefügt und ein Grauen bereitet, das schlimmer gewesen war als die Schmerzen. Keine der beiden würde das vergessen.
    Die Brandwunden an ihren Beinen fühlten sich nur noch ein wenig unbehaglich an. Der Eunuch schien ein guter Arzt zu sein. Sofern er Recht behielt und keine Narben blieben, würde sie ihn reich belohnen. Es mochte auch nützlich sein, seine Bekanntschaft zu pflegen und sich seiner Dankbarkeit zu versichern, indem sie ihm weitere Patienten zuführte. Ärzte gelangten an Orte, zu denen sonst niemand Zutritt hatte. Sie begegneten Menschen in ihren verletzlichsten Augenblicken, erfuhren von ihren Schwächen und

Weitere Kostenlose Bücher