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Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Titel: Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry , K. Schatzhauser
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Ängsten, so wie dieser am Vortag von Zoes Ängsten erfahren hatte. Möglicherweise wurden sie auch mit den Stärken jener Menschen vertraut. Eine Stärke war ein guter Angriffspunkt, weil niemand damit rechnete, dass man dort ansetzen würde. Gewöhnlich war den Menschen nicht klar, dass ihre Stärken, wenn man sie pries und übermäßig betonte, auch ihren Untergang bedeuten konnten.
    Ihr war nur allzu bewusst, dass diese Verbrennungen sie hätten zum Krüppel machen, ja, sogar töten können. Jetzt, da ihr aufgegangen war, dass ihr jederzeit etwas zustoßen konnte, begriff sie, dass es unter Umständen zu spät sein würde, wenn sie mit ihrer Rache noch länger wartete.
    Hinzu kam etwas anderes, was ihr gar nicht recht war. Jederzeit bestand die Möglichkeit, dass ihre Feinde, die auch nicht mehr jung waren, im eigenen Bett eines natürlichen Todes starben und sie damit um ihren Triumph brachten. Gewartet hatte sie mit ihrer Rache nur deshalb so lange, weil sie deren Süße bis zur Neige auskosten wollte. Vor der
Rückkehr ihrer Feinde aus dem Exil wäre sie sinnlos gewesen. Sich an Menschen zu rächen, die nichts zu verlieren hatten und keine Reichtümer besaßen, an die sie sich klammerten, war nicht süß.
    Langsam atmete sie aus und lächelte. Es war Zeit, sich ans Werk zu machen.

KAPİTEL 6
    Anna verließ Zoe Chrysaphes’ Haus voll Hochgefühl. Endlich hatte sie ihre mühevoll erlernten Fähigkeiten bei der Behandlung schwerer Verbrennungen anwenden können, die ohne die Salbe aus Kolchis lebenslang sichtbare Narben hinterlassen würden. Das Rezept dafür hatte ihr Vater von seinen Reisen um das Schwarze Meer herum mitgebracht, der Heimat der legendären Medea, auf deren Namen und Künste das Wort ›Medizin‹ zurückging. Wenn es ihr gelang, Zoe Chrysaphes zu heilen, konnte ihr das mit ein wenig Glück weitere Patienten zuführen, darunter solche, die Bessarion und somit auch Ioustinianos, Antonios und womöglich den wahren Täter gekannt hatten, den, der Bessarion getötet hatte.
    Während sie in der lauen Nachtluft heimkehrte, verweilte sie in Gedanken in dem Haus, das sie soeben verlassen hatte. Diese Zoe war eine bemerkenswerte Frau. Noch als sie schwer verletzt war, Schmerzen empfand und von panischem Entsetzen erfüllt war, hatte die Intensität ihrer Empfindungen die Atmosphäre mit einer Spannung aufgeladen, wie man sie spürt, kurz bevor ein starkes Unwetter den Menschen erschauern lässt.

    Auf welche Weise mochte das Feuer in jenem eleganten Raum mit seinen schmiedeeisernen Fackelhaltern und kostbaren Wandteppichen ausgebrochen sein? War es unter Umständen absichtlich gelegt worden – war das der Grund für Helenas Angst gewesen?
    Anna beschleunigte den Schritt, während sie überlegte, welche Aussichten sich für sie aus dieser Situation ergeben mochten. Als Eunuch war sie in den Augen der anderen so unsichtbar wie ein Diener des Haushalts. Sie konnte unauffällig mithören, was gesagt wurde, die Informationen, an die sie dabei kam, zusammenführen, den Sinn erkennen, der sich hinter unverbundenen einzelnen Äußerungen verbarg.
    In der ersten Woche suchte sie Zoe jeden Tag auf. Ihre Besuche waren kurz, gerade lang genug, um sich zu vergewissern, dass die Heilung wie erwartet voranschritt. Dem Allgemeinzustand von Zoes Haut und der Farbe ihres Haares nach zu urteilen, war auch ihr der Umgang mit Kräutern und Salben durchaus vertraut. Selbstverständlich sprach Anna sie nie darauf an; das wäre taktlos gewesen. Doch bei ihrem vierten Besuch war auch Helena da, und sie kannte gegenüber ihrer Mutter keine solchen Bedenken.
    Anna saß auf Zoes Bettkante, als Helena erklärte: »Das riecht ja ekelhaft.« Sie rümpfte die Nase, weil ihr der scharfe Geruch der Salbe zuwider war, die Anna auftrug. »Die Öle und Cremes, die Ihr sonst verwendet, riechen angenehm, wenn auch ein wenig stark.«
    Zoes Augen zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen. »Du solltest dich ebenfalls mit ihrem Gebrauch vertraut machen, wie auch mit dem Nutzen von Parfüm, mein Kind. Schönheit beginnt als Geschenk der Natur, aber bald
kommst du in ein Alter, da sie zu einem Ergebnis von Kunst wird.«
    »Ja, und darauf folgt eines, in dem sie ein Wunder ist«, höhnte Helena.
    Zoes Augen weiteten sich. »Wer keine Seele hat, findet es verständlicherweise schwer, an Wunder zu glauben.«
    »Vielleicht glaube ich daran, wenn ich eines brauche.«
    Zoe sah sie von Kopf bis Fuß an und flüsterte dann: »Falls es dafür nicht

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