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Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Titel: Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry , K. Schatzhauser
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was auch immer sie im Leben erreichen mochte, sie würde nie imstande sein, ihre Mutter zu überlisten oder sich über deren Willen hinwegzusetzen.
    Nach einigen Minuten trat Helena Komnena mit geschmeidigen Bewegungen ein. Ihre Augen sprühten Zorn. Die Achtung, die sie der Mutter schuldete, lag in ihren Worten, nicht aber im Ton ihrer Stimme. Wie es der Brauch verlangte, trug sie wegen ihres ermordeten Gatten nach wie vor Trauer und sah daher mit Groll auf Zoes bernsteinfarbene Tunika, deren fließende Linien noch dadurch betont wurden, dass Zoe größer war als sie.
    »Guten Abend, Mutter«, sagte sie förmlich. »Ich hoffe, es geht Euch gut.«
    »Durchaus, danke«, gab Zoe mit einem leicht amüsierten Lächeln zurück, in dem keine Wärme lag. »Du siehst bleich aus, aber das liegt wohl an der Trauer. Es gehört sich so, dass eine frisch verwitwete Frau aussieht, als hätte sie geweint, ganz gleich, ob es der Wirklichkeit entspricht oder nicht.«

    Helena ging über diese Bemerkung hinweg. » Vor einigen Tagen war Bischof Konstantinos bei mir.«
    »Selbstverständlich«, gab Zoe zurück und setzte sich mit einer anmutigen Bewegung. »Das ist er Bessarions Stellung auch schuldig. Es würde von schlechter Amtsführung zeugen, wenn er es nicht täte und andere das mitbekämen. Hat er etwas Bemerkenswertes gesagt?«
    Helena wandte sich ab, damit Zoe ihr Gesicht nicht sehen konnte. »Er hat mir Fragen gestellt, mit denen er wohl herausbekommen wollte, wie viel ich über Bessarions Tod weiß.« Sie warf einen raschen Blick zu ihrer Mutter hinüber. »Und was ich anderen darüber sagen würde«, fügte sie hinzu. »So ein Schafskopf!« Sie sagte das fast im Flüsterton, aber Zoe merkte, dass eine Spur Angst darin lag.
    »Ihm bleibt nichts anderes übrig, als sich gegen die Union mit Rom zu stellen«, sagte Zoe scharf. » Wenn die Lateiner ans Ruder kämen, wäre er als Eunuch weniger als nichts. Wer der orthodoxen Kirche treu bleibt, dem wird alles andere verziehen.«
    Helenas Augen weiteten sich. »Das ist zynisch.«
    »Ich halte mich an die Wirklichkeit«, gab ihre Mutter zurück. » Wir Byzantiner sind Herz und Hirn der Christenheit, Zentrum des Lichtes, des Denkens und der Weisheit – ja, der ganzen Zivilisation. Das solltest du nie vergessen. « Ihre Stimme klang scharf. » Wenn wir unsere Eigenart aufgeben, üben wir Verrat an unserem Lebenszweck. «
    » All das ist mir bekannt«, gab Helena zurück. »Die Frage ist nur, ob auch er das weiß. Was er wohl wirklich will?«
    Zoe sah sie verächtlich an. »Natürlich Macht.«
    »Er ist Eunuch!« Helena spie das Wort förmlich aus. »Die Zeiten dürften vorbei sein, als so jemand alles außer
Kaiser werden konnte. Sollte er so töricht sein, dass er das noch nicht begriffen hat?«
    » Wenn die Not groß genug ist, wendet man sich an jeden, von dem man annimmt, er könne die Rettung bringen«, sagte Zoe gelassen. »Du würdest gut daran tun, das nicht zu vergessen. Konstantinos ist klug, und er ist darauf angewiesen, dass ihn die Menschen lieben. Unterschätze ihn nicht, Helena. Er hat zwar ganz wie du das Bedürfnis, bewundert zu werden, ist aber mutiger als du. Wenn du deinen Verstand ebenso gut nutzt wie deinen Körper, kannst du sogar einem Eunuchen schmeicheln. Genau genommen wäre es, was Männer betrifft, ausgesprochen klug, wenn du dich eher deines Verstandes als deines Körpers bedientest, jedenfalls im Augenblick.«
    Erneut stieg die Röte in Helenas Wangen. »Das sind die weisen und rechtschaffenen Worte einer Frau, die für alles andere zu alt ist«, höhnte sie. Sie strich sich mit den Händen über die schmale Taille und den flachen Unterleib, wobei sie die Schultern leicht hob, um ihre opulenten Rundungen noch ein wenig mehr zu betonen.
    Der Spott traf Zoe empfindlich. Es gab Stellen in ihrem Gesicht und an ihrem Hals, die sie ungern im Spiegel sah; und ihre Arme und Schenkel besaßen nicht mehr die Festigkeit wie noch vor wenigen Jahren.
    »Nutze deine Schönheit, solange du kannst«, gab sie zurück. »Außer ihr hast du nichts. Und bei deiner Größe wirst du viereckig sein, wenn einst deine Taille in die Breite geht, und deine Brüste werden dir auf den Bauch hängen.«
    Wütend nahm Helena den seidenen Behang von der Stuhllehne und schlug damit nach ihrer Mutter. Sie traf nicht, wohl aber verfing sich ein Ende davon in einem der hohen schmiedeeisernen Fackelhalter und riss ihn um, so
dass brennendes Pech auf den Boden floss. Im nächsten Augenblick

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