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Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Titel: Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry , K. Schatzhauser
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ihn herum eine solche Verbindung? Sorgten die Musik, der Weihrauch und das Bedürfnis zu glauben für die ersehnte Illusion? Oder machten die Lügen und Zweifel, die Palombaras Seele vergifteten, seine Ohren taub für die Stimmen der Engel?
    Unvermittelt kehrten die Erinnerung an sinnliche Genüsse und sein Schuldbewusstsein zurück. Als junger Priester hatte er einer Frau geistlichen Beistand geleistet, deren Mann etwa so gewesen war wie Vicenze, humorlos und ohne jedes Einfühlungsvermögen. Palombara hatte sie freundlich behandelt und zum Lachen gebracht, und sie hatte sich in ihn verliebt. Er hatte mit offenen Augen gesehen, wie es geschah, es genossen und ihr beigelegen. Während er dort in der Kathedrale stand und sah, wie ein Kardinal das Messopfer darbrachte, den Geruch des Weihrauchs wahrnahm, glaubte er den Duft ihres Haares zu riechen, die Wärme ihres Fleisches zu spüren und ihr Lächeln zu sehen.
    Sie war von Palombara schwanger geworden, doch sie hatten vereinbart, ihren Mann in dem Glauben zu lassen, das Kind sei von ihm. War das Unrecht? Es mochte klug gewesen sein oder auch nicht, auf jeden Fall war es eine feige Lüge gewesen.

    Palombara hatte das Ganze seinem Bischof gebeichtet, der ihm eine Buße auferlegt und die Absolution erteilt hatte. Es war am besten für die Kirche und die beteiligten Menschen, wenn niemand je etwas davon erfuhr. Aber war die ihm auferlegte Buße ausreichend gewesen? Er empfand keinen inneren Frieden, hatte nicht den Eindruck, dass ihm vergeben war.
    Während er dort umgeben von Musik, Licht, Farben und den verzückten Gesichtern von Männern stand, die mit ihren Gedanken möglicherweise ebenso weit von Gott entfernt waren wie er selbst, kam es ihm vor, als habe er bisher nicht die Fülle des Lebens gekostet, und eine entsetzliche Furcht, das sei möglicherweise schon alles gewesen, bemächtigte sich seiner. Bestand die Hölle vielleicht darin, dass es keinen Himmel gab?
    Erst am 24. Juni trafen die byzantinischen Abgesandten in Lyon ein. Da widrige Winde ihre Reise verzögert hatten, kamen sie für einen großen Teil der Beratungen zu spät. Sie legten ein von fünfzig Erzbischöfen und fünfhundert Bischöfen oder Synodalen mit unterzeichnetes Schreiben von Kaiser Michael Palaiologos VII. vor, aus dem hervorging, dass man sich den Wünschen des Papstes nicht verschließen werde. Es sah ganz so aus, als habe Rom einen leichten Sieg errungen.
    Als Papst Gregor X. am 29. Juni das Hochamt in der Johannes-Kathedrale feierte, wurde das Evangelium sowohl auf Latein als auch auf Griechisch verkündet und das Glaubensbekenntnis gleichfalls in beiden Sprachen gesprochen.
    Am 6. Juli wurde das Schreiben des Kaisers feierlich verlesen, woraufhin die byzantinischen Abgesandten der römischen
Kirche Treue gelobten und allen abweichenden Ansichten abschworen.
    Gregor hielt die Welt in seinen Händen. Er hatte alle seine Ziele erreicht; unwürdige Bischöfe waren abgesetzt und bestimmte Bettelorden aufgelöst worden, wohingegen er die Franziskaner und Dominikaner seines herzlichen Wohlwollens versichert hatte. Fortan würden die Kardinäle die Wahl eines neuen Papstes nicht mehr durch Verfahrenskniffe hinauszögern können. Außerdem wurde festgelegt, dass Rudolf von Habsburg als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches anerkannt werden sollte.
    Trotz der betrüblichen Tatsache, dass Thomas von Aquin auf der Reise zum Konzil und der heilige Bonaventura in Lyon selbst gestorben waren, hatte Gregor auf der ganzen Linie gesiegt.
    Obwohl Palombara den Eindruck hatte, ihm bleibe nichts mehr zu tun, forderte ihn der Papst auf, zusammen mit Vicenze nach Rom zurückzukehren und dort sogleich die Abreise nach Konstantinopel vorzubereiten. Sofern sie auf See so ungünstiges Wetter hatten wie die Abgesandten aus Byzanz auf dem Weg zum Konzil, konnte die Überfahrt sechs Wochen dauern. In dem Fall würden sie erst im Oktober dort eintreffen. Doch was sie zu überbringen hatten, war von unschätzbarem Wert: eine Botschaft der Hoffnung für die Einheit der christlichen Welt.
    Es war August und entsetzlich heiß, als Palombara nach seiner Rückkehr aus Lyon erneut dem Lateranpalast entgegenschritt, in dessen Fenstern sich die Sonne spiegelte. Wie stets herrschte auf den breiten Stufen ein fortwährendes Kommen und Gehen. Über rot gesäumten weiten Gewändern sah man den Purpur von Kardinalshüten.

    Eine Audienz stand Palombara noch bevor, dann würde er aufbrechen. Den Zweck der Reise kannte er

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