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Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Titel: Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry , K. Schatzhauser
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wenn man sie aussterben ließe?«
    Vom Verstand her stimmte ihm Palombara zu. Die an diesen Männern vorgenommene Verstümmelung stieß ihn ab und machte ihm, wenn er sie sich in Einzelheiten vorstellte, sogar Angst. Doch bei dem Wort Eunuchen hatte er an Nikephoros gedacht, den weisesten und kultiviertesten Menschen, dem er am Kaiserhof begegnet war. Außerdem an Anastasios, der noch weiblicher als Nikephoros wirkte und der nicht von ferne an einen Mann denken ließ. Dessen Klugheit und noch mehr dessen Begeisterungsfähigkeit hatten Palombara auf eine Weise beeindruckt, die er nicht einfach beiseiteschieben konnte. Obwohl Anastasios seine Männlichkeit eingebüßt hatte, ging von ihm eine so feurige Lebensbejahung aus, wie Palombara ihr noch nie begegnet war. Er hatte diesen Heilkundigen zugleich bemitleidet und beneidet, und der darin liegende Widerspruch verstörte ihn.
    »Es ist anstößig und widernatürlich, Eure Heiligkeit«, gab er ihm Recht. »Doch haben diese Priester Verdienste, auch wenn ihre Enthaltsamkeit erzwungen ist. Da sich wohl so gut wie keiner von ihnen selbst für das entschieden haben dürfte, was mit ihnen geschehen ist, kann man ihnen nicht gut Vorwürfe machen …«
    Der Gesichtsausdruck des Papstes verhärtete sich. »Wenn ein Kind nicht getauft wird, geht das auch nicht auf seine Entscheidung zurück, Enrico, gleichwohl kann es nicht ins Himmelreich gelangen. Seid vorsichtig mit solch pauschalen
Äußerungen, wenn Ihr Euch nicht in Widerspruch zur rechten Lehre bringen wollt.«
    Bei diesen Worten überlief es Palombara kalt. »Ich bitte um Vergebung, Eure Heiligkeit«, sagte er zerknirscht. »Ich habe übereilt gesprochen, weil mich die Weisheit einiger der Eunuchen am Hof des Kaisers beeindruckt hat, und ich wollte niemanden von der erlösenden Gnade der Wahrheit ausschließen. Ich fürchte, in Byzanz bleibt uns noch viel zu tun, wenn wir erreichen wollen, dass die Menschen dort etwas anderes empfinden als Angst vor Gewalt von unserer Seite. Sie sind fest überzeugt, dass sie damit rechnen müssen, wenn sie nicht tun, was wir von ihnen erwarten.«
    »In der Angst kann der Anfang der Weisheit liegen«, gab der Papst zu bedenken. Er hob den Blick und sah Palombara in die Augen. Dabei erkannte er den Zweifel darin und möglicherweise auch etwas von dessen Unsicherheit.
    Palombara nickte zustimmend.
    »Es gibt noch andere Dinge, über die wir sprechen müssen«, sagte Papst Gregor mit plötzlich aufflammender Energie. »Der Druck, einen neuen Kreuzzug zu führen, einen ohne das frühere Blutvergießen, wird immer stärker. Ich habe beschlossen, an Kaiser Michael zu schreiben und ihm vorzuschlagen, dass wir uns im nächsten Jahr in Brindisi treffen. Dort kann ich mit ihm sprechen, seine Stärken und das Ausmaß seiner Aufrichtigkeit besser einschätzen und vielleicht sogar einige seiner Befürchtungen zerstreuen.« Er wartete auf Palombaras Reaktion.
    »Ein ausgezeichneter Plan, Eure Heiligkeit«, sagte dieser, so begeistert er konnte. »Das wird ihn in seiner Entschlossenheit bestärken, und möglicherweise werdet Ihr ihm aufzeigen können, auf welche Weise sich erreichen lässt, dass
die dem alten Glauben anhängenden Bischöfe ihm die Treue halten, wenn er dem Zusammenschluss zustimmt. Er wird Euch ebenso dankbar sein wie das ganze byzantinische Volk. Noch wichtiger als all das ist selbstverständlich, dass diese Vorgehensweise genau richtig ist.«
    Papst Gregor lächelte, mit der Antwort offenkundig zufrieden. »Ich freue mich, dass Ihr das so klar seht, Enrico. Andere, fürchte ich, werden das nicht tun.«
    Sogleich ging Palombara die Frage durch den Kopf, ob Vicenze Einwände erhoben hatte. Falls ja, war das eher aus mangelndem Einfühlungsvermögen geschehen als aus Kühnheit. Oder hatte er angesichts der Hinfälligkeit des Papstes seine Fahne bereits nach einem anderen Wind gehängt? Konnte es sein, dass er Informationen besaß, über die Palombara nicht verfügte?
    »Die anderen werden es im Laufe der Zeit verstehen, Eure Heiligkeit«, sagte Palombara und verachtete sich sogleich wegen seiner Heuchelei.
    »Gewiss.« Der Papst kräuselte die Lippen. »Aber es gibt noch viel in die Wege zu leiten.« Er beugte sich ein wenig vor. » Wir brauchen ganz Italien auf unserer Seite, Enrico. Gelder sind aufzubringen, und natürlich müssen Männer, Pferde, Waffen und Kriegsmaschinen beschafft werden. Außerdem Proviant und Schiffe. Ich habe Legaten in alle Hauptstädte Europas entsandt. Die

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