Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman
vorigen nicht bereit gewesen waren, ihrem alten Glauben zu entsagen, dieses Dokument im April 1277 in einer feierlichen Zeremonie unterzeichneten.
Selbstverständlich war dem Kaiser ebenso wie den Bischöfen bewusst, dass es sich dabei um eine Farce handelte. Das war auch Palombara klar, der dem prunkvollen Ritual in dem prächtigen Thronsaal beiwohnte, ohne dabei das geringste Triumphgefühl zu empfinden. Er fragte sich, wie viele dieser in mit Edelsteinen besetzte Seidengewänder gekleideten Männer Begeisterung empfanden und von welcher Art diese sein mochte. Dienten sie mit dem, was da stattfand, überhaupt Gott, oder befolgten sie damit wenigstens ein moralisches Gebot?
Er wandte sich ein wenig seitwärts, um zu Vicenze hinzusehen, der mit gänzlich unbewegter Miene kaum mehr als einen Schritt von ihm entfernt stand. Er hielt sich aufrecht, seine Augen leuchteten. Unwillkürlich musste Palombara an einen Krieger bei einer Siegesparade denken.
Wie würde Kaiser Michael sein Volk künftig führen können? War er so realistisch, dass er bereits Pläne dafür hatte? Oder war er genauso kurzsichtig und verloren wie seine Untertanen? Lauter geschorene Schafe, die jedes für sich dem Unwetter zu trotzen versuchten, ohne einander zu sehen.
Wenn sich doch nur der ehemalige Patriarch Kyrillos Choniates bereitfände zu unterschreiben, damit es ihm seine Anhänger nachtun konnten! Das wäre ein gewaltiger Schritt zur Befriedung der Opposition. Ob sich das erreichen ließ? Zumindest den Versuch musste Palombara unternehmen. Das durfte er auf keinen Fall Vicenze überlassen, nicht ihm.
Er lächelte unwillkürlich beim Gedanken an diese Eitelkeit, den Wunsch, den Sieg für sich verbuchen zu dürfen.
Das Hauptdokument jedenfalls war unterzeichnet. Jetzt ging es nur noch um einen Zusatz. Anfangs hatte er es als Rückschlag angesehen, dass Kyrillos Choniates schwer erkrankt war, wie es hieß, doch dann war ihm Anastasios eingefallen, der heilkundige Eunuch.
Er zog unauffällig Erkundigungen ein und erfuhr, dass Anastasios jeden zu behandeln bereit war, der seiner Hilfe bedurfte, ob Christ, Mohammedaner oder Jude. Er faselte nicht von Sünden oder Buße, sondern beschäftigte sich mit der Krankheit, unabhängig davon, ob es sich um ein körperliches oder seelisches Leiden handelte.
Als Nächstes musste Palombara dafür sorgen, dass Anastasios denen empfohlen wurde, die sich um Kyrillos in seiner Gefangenschaft kümmerten. Wer war mächtig genug und bereit, das ins Werk zu setzen?
Zweifellos wusste Zoe Chrysaphes eine Antwort auf diese Frage.
Zwei Tage später ließ er sich bei ihr melden und brachte diesmal eine kleine, sehr schöne neapolitanische Kamee mit, eine ausgesprochen feine Arbeit, die er selbst ausgesucht hatte. Obwohl er sie von Anfang an als Geschenk gekauft hatte, gab er sie nur ungern aus den Händen.
Er sah Zoes Augen an, dass ihr die Kamee gefiel. Sie wendete sie hin und her, ließ ihre Finger darübergleiten und sah dann lächelnd zu ihm auf.
»Exquisit, Bischof«, sagte sie leise. »Aber die Zeiten sind vorüber, in denen mir Männer solche Geschenke machten, damit ich ihnen meine Gunst erwies. Überdies seid Ihr Priester. Also worauf wollt Ihr hinaus?«
Ihre Geradlinigkeit amüsierte ihn, und er sah ihr unverwandt
in die Augen. »Ich möchte, dass Ihr einen guten Arzt für den abgesetzten und verbannten ehemaligen Patriarchen Kyrillos Choniates empfehlt, der sich schwer krank in einem Kloster von Bithynien befindet. Ich denke dabei an Anastasios Zarides. Meiner festen Überzeugung nach würdet Ihr mit Euem Einfluss dafür sorgen können, dass der Abt nach ihm schickt.«
»Das würde er wohl«, gab sie ihm Recht. In ihre goldfarbenen Augen trat Neugier. »Aber wieso liegt Euch Kyrillos Choniates am Herzen?«
»Ich möchte, dass der Zusammenschluss mit so wenig Blutvergießen wie möglich vor sich geht«, gab er zur Antwort. »Um Roms willen – so, wie Ihr es Euch für Byzanz wünscht. Ich habe einen Zusatz zum Unionsvertrag, von dem ich annehme, dass ihn Kyrillos trotz seiner Weigerung unterzeichnen würde, dem eigentlichen Abkommen zuzustimmen. Dann würden die vielen ihm treu ergebenen Mönche seinem Beispiel folgen, womit der Widerstand hinreichend gebrochen wäre, um Frieden zu ermöglichen.«
Sie wandte sich um und sah zum Fenster hinaus, von wo aus der Blick über die Dächer der Stadt bis zum Meer reichte, und dachte eine Weile nach.
»Ich vermute, dass dieser Zusatz dem eigentlichen
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