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Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Titel: Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry , K. Schatzhauser
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eifrig jedes seiner Worte notierten. An einem Tisch, auf dem sein eigenes Tintenfass stand, korrigierte er eigenhändig, was er für falsch hielt.
    »Nun?«, fragte der Herrscher beider Sizilien. »Was wollt Ihr von mir, Ehrwürdigste Exzellenz?«
    Hinter der Belustigung auf seinen Zügen erkannte Palombara eine durchdringende Klugheit. Diesen Mann würde er nicht zu seinem Werkzeug machen können – nur ein
Dummkopf würde das versuchen. »Ihr als römischer Senator habt mit Eurer Stimme beim Konklave Gewicht«, gab er zurück.
    »Es ist nur eine Stimme von vielen«, bemerkte Charles trocken.
    »Ich denke, es ist mehr als das«, gab Palombara zurück. »Manch einer richtet sich nach Eurer Entscheidung.«
    »Ja, wahrscheinlich zur Befriedigung seines persönlichen Ehrgeizes.«
    »Aber auch um der Zukunft der Christenheit willen. Es ist denkbar, dass noch nie seit den Tagen des heiligen Petrus so viel auf dem Spiel gestanden hat wie dieses Mal.« Mit einem Lächeln fuhr er ohne zu zögern fort: »Möglicherweise wird alles von der Frage beherrscht, ob wir uns auf eine Weise mit Byzanz vereinigen können, die sich als fruchtbar erweist und nicht Quelle beständiger Auseinandersetzung wird.«
    »Byzanz …«, wiederholte Charles, als wolle er sich den Namen auf der Zunge zergehen lassen. »Ach ja.« Palombara spürte, wie die Stille im Raum lastete. »Ihr wart als Legat in Konstantinopel«, nahm der Herrscher den Faden wieder auf und ging erneut mit lauten Schritten auf dem Marmorboden hin und her, vom Schatten ins Sonnenlicht, das durch die hohen Fenster fiel, zurück in den Schatten. »Ihr habt dem Heiligen Vater berichtet, dass sich die Byzantiner Rom auf keinen Fall ergeben würden.« Er wandte sich so schnell um, dass er den Ausdruck von Überraschung auf Palombaras Zügen mitbekam, bevor sich dieser wieder in der Gewalt hatte. »Muss man damit rechnen, dass dieser Widerstand von Dauer ist? Genauer gesagt: Wird es ihn beispielsweise in drei Jahren noch geben?«
    Palombara begriff sogleich. »Das würde von den Bedingungen abhängen, die Rom stellt, Majestät.«

    Charles atmete kaum hörbar aus. »Genau das habe ich mir gedacht. Nehmen wir an, Ihr wäret Papst – wie sähen dann Eure Bedingungen für eine Unterwerfung der orthodoxen Kirche und eine geeinte Christenheit aus?«
    Palombara wusste genau, was Charles meinte. »Es läuft auf einen politischen Zusammenschluss hinaus«, sagte er, seine Worte sorgfältig abwägend, doch in leichtem Plauderton, als herrsche zwischen ihnen beiden Einverständnis. »Etwas anderes hat nie im Bereich des Möglichen gelegen. Wir können von den Byzantinern unter Umständen Gehorsam der Kirche gegenüber verlangen, aber auf keinen Fall Glauben.« Während Charles wartete, breitete sich ein Lächeln auf seinen Zügen aus.
    »Ich sehe keinen Vorteil darin, einer Einheit den Weg zu bereiten, wenn dabei Glaubensgrundsätze aufgegeben werden müssen, auf die sich die einen oder anderen von uns stützen.«
    »Ich sehe, dass wir in diesem Punkt einer Meinung sind.« Alle Anspannung war von Charles abgefallen. »Ich vermag mir durchaus vorzustellen, dass es Gottes Wille sein könnte, einen Papst zu haben, der die wahre Natur der Menschen erfasst, statt ein Idealbild zu sehen, das nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat. Ich werde das wenige an Einfluss, was ich habe, in diesem Sinne geltend machen. Ich danke Euch, dass Ihr mich an Eurem Wissen habt teilhaben lassen, Ehrwürdigste Exzellenz.« Sein Lächeln wurde breiter. »Wir werden einander von Nutzen sein können – und selbstverständlich auch der heiligen Mutter Kirche.«
    Palombara verabschiedete sich und trat hinaus. Nicht der kleinste Luftzug regte sich. Die Zypressen standen wie bewegungslose Flammen unter der grellen Sonne und wirkten sonderbar ermattet.

    Obwohl die Annahme unvernünftig war, dass ein Papst nach dem anderen starb, weil sie nicht getan hatten, was Gottes Willle war, vermochte Palombara diesen Gedanken nicht zu vertreiben, und Zuversicht erfüllte ihn.
    Das Konklave spaltete sich in zwei große Fraktionen auf – die ›Franzosen‹, die auf der Seite des Grafen von Anjou standen, und die der ›Italiener‹, die gegen ihn Partei ergriffen. Schon der erste Wahlgang trug Palombara hoch auf den Wellenkamm – nur zwei Stimmen fehlten ihm, um gewählt zu werden. Fast konnte er die Tiara mit den Fingerspitzen berühren.
    Am 13. September fand der letzte Wahlgang statt.
    Palombara wartete. Er hatte seit Tagen kaum

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