Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman
Kosten aufkommt. Das Wetter ist für ein solches Vorhaben günstig. Zwar wird der Ritt einige Tage in Anspruch nehmen, aber nicht übermäßig anstrengend sein. Sicher kennt Ihr Bithynien besser als er. Ihr brecht morgen früh auf, es gibt keine Zeit zu verlieren.«
Zoe trat an den Tisch mit den behaglichen Sesseln. »Ich habe hier eine Kräutermischung für Kyrillos, die Ihr mitnehmen könnt. Der daraus zubereitete Trank hat ihm früher geholfen. Es ist nur ein einfaches Stärkungsmittel, aber gewiss wird er sich darüber freuen, und vielleicht hilft es ihm ja auch. Ich werde gleich selbst etwas davon zu mir nehmen. Möchtet Ihr auch?«
Anna zögerte.
» Wie Ihr wollt«, sagte Zoe leichthin und öffnete die Tür eines geschnitzten Schranks mit vielen kleinen Schubladen.
Sie zog eine davon auf und nahm einen Seidenbeutel voller zu feinem Pulver zerstoßener Blätter heraus. »Man vermischt es mit ein wenig Wein«, sagte sie und gab eine Prise in zwei Pokale mit Rotwein. Das Mittel löste sich nahezu sogleich auf.
Sie sah Anna an, während sie einen der Pokale an die Lippen setzte. »Auf Kyrillos Choniates«, sagte sie und trank.
Anna nahm den anderen Pokal und trank einen kleinen Schluck daraus. Das Mittel schien keinerlei Eigengeschmack zu haben, und der Geruch des Weines überdeckte den der Kräuter vollständig.
Zoe trank aus, nahm ein Stück Honigkuchen und biss herzhaft hinein.
Als Anna ihren Pokal ebenfalls geleert hatte, bot Zoe auch ihr ein Stück Honigkuchen an. »Esst davon, er nimmt den Nachgeschmack.«
Nachdem Anna auch den Kuchen gegessen hatte, gab ihr Zoe den Seidenbeutel mit den Kräutern. Anna dankte ihr und versprach, dem Mönch das Mittel zu bringen.
Anna gelangte über den Bosporus ans Ufer von Nikaia, wo Bischof Niccolo Vicenze bereits ungeduldig am Kai auf und ab schritt. An seinem Gesicht war deutlich abzulesen, welches Missvergnügen es ihm bereitete, warten zu müssen. Wie Anna war er in Reisekleidung. Trotz der vergleichsweise schlichten kurzen Gewänder und halbhohen Stiefel aus weichem Leder war ihm der Kleriker auf den ersten Blick anzusehen, als sei sein Amt Teil seiner Persönlichkeit.
Er begrüßte sie knapp mit kaum mehr als einem Nicken, dann bestiegen sie die wartenden Pferde und begannen den
langen Ritt ins Anna von früher Jugend an vertraute Landesinnere.
Die Sonne erhob sich am hellen Himmel. Es wurde warm, und nicht das leiseste Lüftchen regte sich. Da Anna schon längere Zeit nicht mehr über größere Entfernungen im Sattel gesessen hatte, war sie bald wund und müde, doch wäre Vicenze der Letzte gewesen, dem gegenüber sie eine Schwäche eingestanden hätte.
Vor vielen Jahren war sie zusammen mit ihrem Bruder Ioustinianos durch dieses Land geritten. Wenn sie die Augen schloss und sich der Wärme der Sonne auf ihrem Gesicht hingab, konnte sie sich einbilden, er, und nicht Vicenze, reite zwischen Farn, Brombeergestrüpp und dem Ginster zu beiden Seiten des Weges vor ihr her.
Vicenze nahm seinen Reisegefährten nicht zur Kenntnis und drehte kein einziges Mal den Kopf, um zu sehen, ob Annas Pferd mit dem seinen Schritt hielt. Sie konnte sich des Gedankens nicht erwehren, dass er trotz seiner Priesterweihe gnadenlos war.
Nach einer Weile war ihr das Gelände nicht mehr vertraut, und sie waren auf eine Karte angewiesen, die Vicenze mit sich führte. Es zeigte sich, dass sie recht genau war.
Am dritten Tag erreichten sie nach Einbruch der Dunkelheit das festungsähnliche Kloster.
Da Zoes Bote schon dort gewesen war, hieß man beide willkommen. Zumindest Anna wurde dringend erwartet. Nachdem sie sich den Reisestaub abgewaschen und ein wenig gegessen und getrunken hatte, führte man sie zu Kyrillos.
Dankbar und zugleich besorgt, geleitete ein junger Mönch sie durch die stillen Gänge in Kyrillos’ kühle Zelle. Es war ein einfacher Raum von etwa fünf mal sieben
Schritt, dessen steinerne Wände mit Ausnahme eines großen Kruzifixes kahl waren. Kyrillos ruhte auf einem schmalen Lager, sein Gesicht war bleich und zeigte Züge der Erschöpfung. Er hatte Schmerzen in der Brust und im ganzen Unterleib.
Sie begrüßte ihn freundlich, stellte sich vor und drückte ihr Bedauern über seine Krankheit aus. Er war an die siebzig Jahre alt, und sein Körper war von Selbstkasteiung und den Folgen der Krankheit ausgezehrt. Seine dünnen Haare waren weiß und sein Gesicht eingesunken; seine Haut fühlte sich an wie altes Pergament.
Sie stellte ihm die üblichen Fragen und
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