Die Echsenwelt: Ein Pip& Flinx Roman
sie auch zustande gekommen war, die mentale Wechselwirkung hatte ihm und seinen damaligen Begleitern das Leben gerettet. Ob eine hochentwickelte von Menschenhand geschaffene KI zu einem ähnlichen Zerebralverkehr in der Lage war oder so etwas wie Emotionen entwickeln konnte, war eine Frage, die viel diskutiert worden war, insbesondere im Hinblick auf die großen Fortschritte, die in den letzten hundert Jahren mit Hilfe der Thranx-Technologie erzielt werden konnten. Einige Kybernetiker beantworteten diese Frage mit einem klaren Ja, während andere vehement das Gegenteil behaupteten; wieder andere waren sich nicht sicher und konnten sich weder für das eine noch für das andere Lager entscheiden.
Vielleicht ließ es sich herausfinden, indem er fragte und versuchte, bei den verbalen Rückmeldungen hinter den Worten zu lesen.
»Ich benötige dieses betreffende Sybfile wirklich sehr dringend«, murmelte er klar und deutlich, während er gleichzeitig den ursprünglichen Ort des fraglichen Objekts angab.
Die Antwort der Shell war höflich, jedoch unmissverständlich: »Das informelle Objekt, auf das Sie verweisen, ist nicht vorhanden.«
Er wiederholte seine Anfrage mehrere Dutzend Male. Beim dreißigsten Mal vermeinte er, hinter der Routineantwort noch etwas anderes wahrzunehmen. Doch was war dieses schwer erfassbare Etwas? Etwas in seinem Verstand. Seine Gedanken waren geschärft, sein Talent so wendig und durchdringend wie eine Klinge. Entschlossen ignorierte er das Pochen, das in seinem Hinterkopf eingesetzt hatte, und die grellen Lichtblitze, die ihm die Sicht zerrissen.
»Ich weiß, dass die Syb existiert. Ich hab sie gesehen, ganz kurz, ungeöffnet. Die Datei ist da, irgendwo hinter dem Alarm-Cluster, der ihren Platz eingenommen hat. Du musst mir helfen. Ich weiß, dass du es kannst. Du musst es nur wollen.«
»Die Sybdatei, auf die Sie verwei...« Die synthetische Stimme verstummte mitten im Satz. Flinx hielt den Atem an. »Die Sybdatei, auf die Sie ...«, setzte die Stimme in dem abgeschirmten Arbeitsbereich ein weiteres Mal an, nur um abermals abzubrechen.
»Bitte«, flehte Flinx. »Du weißt, dass die Syb, die ich suche, da ist. Es besteht kein Grund, sie mir nicht zu zeigen. Du kannst nicht behaupten, dass es sie nicht gibt, wenn ich sie doch mit eigenen Augen gesehen habe. Stell sie wieder her. Ich verspreche dir, ich werde nicht lange brauchen. Das System wird keinerlei Schaden nehmen. Es ist nur eine kleine, winzige, harmlose Syb. Befolge meine Anweisung. Tu das, wozu du konstruiert worden bist. Ich bin ein Bürger, der dringend Zugriff auf Daten benötigt. Hilf mir .«
»Die Sybdatei ...«, begann die Stimme der Shell erneut. Plötzlich nahm Flinx in seinem Kopf etwas wahr, das keine vorprogrammierte Formulierung war. Gedanken konnten sich trüben, und ebenso Emotionen. Er starrte auf den schwebenden Bildschirm, spannte seine Projektionsfähigkeiten stärker und weiter als bei Elena Carolles. Das Pochen im Hinterkopf verlagerte sich in die Kopfmitte. Ein jäher Schmerz schoss durch ihn hindurch, und er fuhr zusammen. Sogleich steckte Pip ihren Kopf aus der Uniform und hielt beunruhigt nach einer Gefahr Ausschau, die lediglich im Bewusstsein ihres schlaksigen Begleiters existierte. Wachsam blickte sie mit schmalen, leuchtenden Augen hin und her.
»Dies ist ein unbefugter Eingriff in systemimmanente Prozesse.« Flinx wagte sich auf seinem Stuhl kaum zu rühren. »Ich sehe mich genötigt, ein Protokoll zu generieren, Bürger. Die fragliche Sybdatei ist zugriffsbeschränkt. Alles, was über ihren Namen hinausgeht, unterliegt dem Kirchenedikt.«
Scharf stieß Flinx die Luft aus. Eine solche Warnung konnte vielleicht andere schrecken, doch nicht ihn. Er hatte sich schon einmal über das Kirchenedikt hinweggesetzt, und das mit Erfolg. Viel bedeutsamer erschien ihm der Umstand, dass er ein erstes, entscheidendes Byte an Wissen aus der Shell herausgekitzelt hatte.
»Demnach gibst du also zu, dass diese Sybdatei existiert. Das widerspricht deiner vorherigen –«, er checkte sein Logfile, »– zweiunddreißigsten Antwort die gleiche Frage betreffend.«
»Ich sehe mich genötigt, ein Protokoll zu generieren.« Die KI blieb eine Weile stumm, rückte weder mit irgendwelchen Zusatzinformationen heraus, noch unternahm sie den Versuch, die Rückschlüsse ihres Anfragestellers in Abrede zu stellen.
Wie lange würde es wohl dauern, bis das erwähnte Protokoll die für die Funktionsfähigkeit der Shell
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