Die Echsenwelt: Ein Pip& Flinx Roman
einen Tag aufgekreuzt bist, um mit Conda Challis zu reden. Wie du dich entsinnst, war ich mehr als geschockt. Und was Anasage betrifft –« Die junge Frau zögerte, bevor sie in einem völlig anderen Ton fortfuhr: »– ich erinnere mich an eine starke, schöne, intelligente, doch zutiefst verstörte Frau – mit roten Haaren übrigens. Du hast ihr Haar; ich hab alles andere von dieser Hälfte des Genpools geerbt. Sie war fürsorglich – wenn sie die Zeit dafür hatte. Sie war mütterlich – wenn sie nicht gerade mit etwas anderem beschäftigt war. Soweit ich es beurteilen kann, in Anbetracht meines damaligen Alters, war ihre Beziehung mit Challis streng geschäftlich. Sie empfand für ihn weder Zuneigung noch Wärme oder etwas dergleichen. Ich weiß bis heute noch nicht, ob ich sie dafür mehr oder weniger hasse.« Sie blinzelte und zwang sich in die Gegenwart zurück. »Sie krepierte an einer Krankheit mit extrem vielen Silben. Barmherzigerweise ging es ganz schnell.«
»Hat sie jemals irgendetwas über deinen Vater erwähnt – meinen Vater?«
Mahnahmi wandte ihm ihr edles Profil zu und spuckte auf den Boden. »Dein Vater, mein Vater, war eine Injektionsspritze in irgendeinem Meliorare-Labor. Nicht so einfach, für ein Instrument aus Glas und Verbundstoffen Gefühle zu entwickeln. Anasage hat nie irgendwas von einem biologischen Erzeuger erzählt.«
Eine weitere Sackgasse. Flinx trat wankend einen Schritt nach vorn. »Warum hat sich nach Anasages Tod Conda Challis um dich gekümmert und nicht Teleen?«
»Ich weiß zwar nicht, wo du dich herumgetrieben und was du alles erlebt hast, seitdem ich dich das letzte Mal versucht habe zu töten, aber uneingedenk deiner augenscheinlichen Intelligenz ist offensichtlich, dass gewisse Bereiche deiner Erziehung und Bildung arg vernachlässigt wurden. Ich war weitaus jünger und weitaus hübscher als Teleen. Challis ... Conda Challis war eine zweibeinige niedere Lebensform, die aus dem Urschleim aufgestiegen war, mit Angewohnheiten und Lastern, die exakt seiner inneren, intestinalen, geistigen und moralischen Beschaffenheit entsprachen. Er hatte wirklich was übrig für Kinder, Bruderherz. Ganz besonders für kleine Mädchen. Und ich ... ich hatte das Pech, ihm von allen die Liebste zu sein.«
Wut quoll aus ihr heraus, eine Flut zerstörter Gefühle, ein endloser Strom emotionaler Risse und Wunden. Zum ersten Mal konnte Flinx ein wenig verstehen, warum in ihr ein unsäglicher Zorn auf das gesamte Universum brodelte. Damals, vor Jahren, war er noch zu unerfahren, um die wahren Abgründe von Challis' Verderbtheit zu erahnen. In seiner schmutzigen Niedertracht hatte der Kaufmann die Tochter seiner Mätresse missbraucht und gleichzeitig das Kind als das seinige adoptiert. Mahnahmis früheste Jugend musste eine unaufhörliche Qual gewesen sein. Und bei all dem hatte sie noch mit ansehen müssen, wie ihre ältere Schwester Teleen von ihrer Tante Rashalleila angelernt und protegiert worden war.
»Das tut mir leid«, war alles, was ihm dazu einfiel. Auf seiner Schulter regte sich Pip.
»Weshalb? Du hast damit doch gar nichts zu tun. Sei froh, dass du Glück gehabt hast. Challis mochte nämlich auch kleine Jungs.«
»Ich hatte auch nicht gerade eine glückliche Kindheit.« Und er fing an, ihren Wissensstand mit ein paar ausgewählten Bruchstücken aus seiner eigenen Vergangenheit zu ergänzen.
Sie beantwortete seine Enthüllungen mit einem höhnischen Lachen. »Du hattest wenigstens in gewisser Weise deine Freiheit und eine Adoptivmutter, die sich um dich gekümmert hat. Während man mit meiner Unschuld und meiner Kindheit wie mit einem Stück Toilettenpapier umgegangen ist, hast du Abenteuer erlebt und die Welten in diesem Arm der Galaxis erforscht.« Ihre Stimme wurde leiser, auch wenn ihre Wut sich zu vervielfachen schien. »Komm mir nicht mit Nöten, die nicht mehr als kindische Nörgeleien sind. Ich könnte dir Geschichten erzählen, da würden sich dir die Eingeweide zusammenziehen.«
»Na schön, aber zumindest kann ich sagen, dass es mir leid tut, dass ich damals zusehen musste, wie Pip unsere Halbschwester getötet hat.«
»Teleen?« Die junge Frau kicherte amüsiert. »Ich war geradezu entzückt, als ich, nachdem ich wieder in der Zivilisation angekommen war, von deinen mir ungewollt nützenden Erfolgen erfuhr. Mit ihrem Tod war ein weiterer potenzieller Anwärter auf die Erbschaft von Challis' Geschäftsanteilen aus dem Weg.«
Er konnte nicht länger an sich
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