Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ecstasy-Affäre

Die Ecstasy-Affäre

Titel: Die Ecstasy-Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
dachte Robert. Was kann ich hier noch tun? Panik kam in ihm hoch, das Gefühl einer erdrückenden Hilflosigkeit. Er blickte hinunter auf die Straße, ob ein Auto kam, das er anhalten konnte. Aber um diese Nachtzeit war es still um den Wörthsee, und jede Minute untätigen Wartens verschlimmerte Christas Zustand.
    Aber was tun? Lieber, lieber Gott, was tun? Wieviel Ecstasy hat sie genommen? Noch eine oder zwei oder drei? Und wenn – es kann ja nur ein vorübergehender Krampf sein, ein Aufbäumen der Nerven gegen das Aufputschen … Die Pillen sind ja ungefährlich, hat Ulrike gesagt. Glücksdrops, weiter nichts. Und wieviele habe ich schon verkauft, und keiner ist zu mir gekommen und hat gesagt: Du, die Dinger sind Mist. Erst schwebst du, und dann hauen sie dich um! Keiner hat das bisher gesagt. Alle waren nur glücklich und haben sich laufend die Drops reingeschmissen. Ich hab's doch gesehen. In den Discos und Technos verkaufe ich über siebzig Prozent, und da ist noch keiner umgefallen. Christa, Christa … nun atme doch mal tief durch. Christa …
    Robert beugte sich wieder über sie. Sie hatte die Augen geschlossen, aber ihr Mund war weit aufgerissen, verzerrt, als wolle sie einen Schrei ausstoßen, der nur ein flaches Stöhnen wurde. Sie trampelte wieder mit den Füßen auf die Wiese, schlug jetzt sogar mit den Armen um sich, umschlang dann Roberts Nacken und drückte ihn auf ihre Brüste … Und dann plötzlich, ganz lautlos, erschlaffte sie, die Arme fielen zurück, die Beine streckten sich, der Kopf sank nach hinten, der verzerrte Mund entspannte sich, wurde weich. Sie atmete nicht mehr.
    »Christa!« schrie Robert. Er schüttelte sie, aber es war nur noch ein erschlaffter Körper, den er hielt. »Christa …«
    Verzweifelt versuchte Robert eine Mund-zu-Mund-Beatmung und drückte rhythmisch ihren Brustkorb auf und nieder, wie er es beim Erste-Hilfe-Kurs bei den Pfadfindern gelernt hatte. Immer und immer wieder tat er das, blies seine Atemluft in ihren Mund, aber sie bewegte sich nicht mehr. Eine fahle Blässe überzog ihr Gesicht, als sauge es den Mondschein auf.
    »Christa …« Robert richtete sich auf. Er stellte die Wiederbelebungsversuche ein; er sah ein, daß Christa unter seinen Händen gestorben war. Wie zur Totenwache setzte er sich neben sie, nahm ihre schlaffe Hand in seine Hand und starrte in den Himmel. Der Stern Christa war jetzt zu sehen, das schwache unterbrochene Glitzern über Millionen Lichtjahre hinweg. Christas Stern. Es gibt Milliarden Sterne … Ist es möglich, daß ein Mensch nach seinem Erdenleben ein Stern werden kann? Noch niemand hat daran gedacht, was Gott möglich ist.
    Merkwürdig: Wie Robert so neben der Toten saß und ihre erkaltende Hand hielt, empfand er keine Trauer. Nur Einsamkeit war um ihn, die Stille eines Vakuums, vollkommene Leere. Aber sie füllte sich allmählich auf, je länger er abwechselnd zum Stern Christa und auf den bleichen, nackten Körper der Toten blickte. Es war Wut, die in ihm wuchs, ein Drang nach Rache, ein Wille zur Vernichtung, denn diese Zerstörung hier hatte nur einen Namen: Ulrike.
    Robert saß so fast eine Stunde neben der Leiche, dann begann er, das Zelt abzubrechen. Er ging mit großer Überlegung vor, mit geradezu akribischer Ordnung.
    Zuerst trug er Christa zu einer Buschgruppe am Rande der Wiese und legte sie unter die Zweige. Er legte sie so nackt hin, wie sie gestorben war, band ihre Kleider und die Wäsche zu einem Bündel zusammen, räumte den Platz auf, verstaute alles in seinen Wagen und suchte dann die Wiese ab, ob er Spuren übersehen hatte. Zum Schluß ging er noch einmal zu Christa hinüber, beugte sich über sie und küßte sie mit einer Innigkeit, die ihm die Tränen in die Augen trieb. Ihr Körper fühlte sich jetzt kühl an. Die Todeskälte zog in ihr hoch.
    Robert sprach kein Wort des Abschieds. Er streichelte über Christas Gesicht, das jetzt, losgelöst von allem Irdischen, wie ein blonder Puppenkopf aussah. In den Mundwinkeln lag sogar ein Lächeln, als habe sie das tödliche Glücksgefühl hinübergenommen in die Ewigkeit. Noch einmal legte Robert seine Stirn zwischen ihre Brüste, riß sich dann los und rannte den Wiesenhang hinunter zu seinem Wagen. Ohne noch einmal zurückzublicken, fuhr er davon.
    Als er auf die Autobahn nach München einbog, war er ganz ruhig geworden. Seine Gedanken waren klar und nüchtern.
    Rache! Vergeltung! Vernichtung!
    Er war ein Werkzeug geworden – aber er würde es nicht länger

Weitere Kostenlose Bücher