Die Ecstasy-Affäre
Pop-Gruppe?«
»Nocturnes sind Nachtstücke, Kompositionen für Klavier, voll sinnlicher Romantik, eine Darstellung nächtlicher Sehnsucht, Gesänge der Nacht, die nur die Seele hört …«
»Sag mal, spinnst du?« Sie starrte ihn fast entsetzt an. »Das soll ich mir anhören?«
»Wer eine Nachtigall singen hört, begreift auch ein Nocturne. Und du hast vorhin eine Nachtigall gehört.« Robert schob die CD in den Spieler. »Svatoslav Richter spielt Chopin … Schließ die Augen, sei ganz still und hör nur zu …«
Sie tat ihm den Gefallen, schloß die Augen, zog einen Schmollmund und wartete auf die Qual dieser Scheißmusik.
Und dann spielte Svatoslav Richter. Die Nacht bekam plötzlich Gestalt, die Sehnsucht wurde zum Leben, die Erinnerung an Glück senkte sich wie ein Schleier hernieder, die Melodie eines fernen Tanzes verklang im Ohr. Und dann das Weggleiten ins Nichts, in die Unendlichkeit …
Als das Nocturne verklungen war, lag Schweigen über ihnen. Nur der unbekannte Vogel im Geäst sang wieder seine ganz eigene Weise. Christas Nachtigall. Sie hatte noch immer die Augen geschlossen, als lausche sie dem letzten Ton hinterher. Robert wagte nicht, die Stille zu zerstören. Er sah sie nur an, ihr dem Mondschein entgegengehobenes Gesicht, die weizenblonden Haare, und er dachte: Wie wunderbar ist sie. Welch ein Strahlen geht von ihr aus. Es war ein ganz anderes Gefühl als bei Ulrike. Irgendwie reiner, beglückender, sauberer. Er wäre jetzt nie auf den Gedanken gekommen, näher an Christa heranzurücken und sie anzufassen, die Jacke ihres Trainingsanzuges hochzuschieben und ihre Brüste zu küssen. Er sah sie an wie ein Gemälde, das gleich durch einen göttlichen Hauch zum Leben erwachen mußte.
Plötzlich öffnete Christa die Augen, ihr Kopf drehte sich zu Robert.
»Schön …«, sagte sie leise. »Aber trotzdem Mist. Ich will nicht sentimental werden, sondern lachen und tanzen. An diesem Chop…«
»Chopin.«
»… hast du Gefallen?«
»Ich spiele ihn selbst auf dem Flügel. Und ich glaube, ganz gut.«
»Willst du mal Pianist werden, so wie der, der eben gespielt hat?«
»Vielleicht. Aber Richter werde ich nie erreichen.«
»Ist er berühmt?«
»Der beste Pianist der Welt.«
»Verdient er viel Geld?«
»Bestimmt.«
»Dann isses gut. Alles, was Geld bringt, ist gut.« Sie lachte und schüttelte damit ihre Sentimentalität ab. »Du, ich muß dich etwas fragen. Das wollte ich schon im ›777‹. Was hältste von Ecstasy?«
»Christa!« Robert starrte sie betroffen an. »Woher kennst du die Pillen?«
»Ich kenne genug Typen, die werfen sich jeden Abend so 'nen Drops ein. Und dann drehen sie auf wie 'ne Turbine.«
»Hast du auch schon Ecstasy genommen?«
»Nee. Aber ich möcht's mal probieren.«
»Warum?«
»Warum? Warum? Ich will nur mal wissen, wie das ist! Was da alles erzählt wird. Da soll man stundenlang tanzen können, ohne müde zu werden. Stimmt das?«
»Unter anderem …«
»Und da soll man das Gefühl haben: Alles ist scheißegal …«
»Es ist eine Art Glücksgefühl.«
»Ah! Du weißt Bescheid! Hast du auch schon Ecstasy genommen? Ehrlich, Robert?«
»Ja. Schon öfter.«
»Mensch! Erzähl mal!« Sie rückte nahe an ihn heran. In ihren Augen erkannte er Neugier und Verlangen. »Wie ist das? Alle sagen: Du hebst einfach ab. Die meisten Techno-Kids schwören darauf. Wie ist das bei dir?«
»Ganz verschieden.« Er dachte an die wilden Stunden mit Ulrike, an das Davonschweben ohne irdische Schwere, an die Unermüdlichkeit seines Körpers. »Man steigert sich ungemein«, sagte er vorsichtig.
»Hast du heute schon eine Ecstasy genommen?«
»Nein, Christa.«
»Aber du hast welche bei dir?« Ihr weibliches Gespür sagte ihr, daß ihre Annahme richtig war. »Natürlich hast du sie!« Sie streckte die Hand aus. »Zeig mir eine.«
»Die Nacht ist so schön. Schöner kann Ecstasy sie auch nicht machen, Christa. Sie kann sie nur verderben.«
»Ich möchte aber eine sehen.« Ihr Schmollmund war wieder da, ihr Gesicht zeigte kindlichen Trotz. »Nur sehen … weiter nichts. Die Typen haben immer davon gequatscht, aber gezeigt hat mir das Zeug noch keiner. Was ist denn so Geheimnisvolles dran?«
»Die Pillen sind offiziell verboten. Sie fallen unter das Drogengesetz.«
»Aber viele haben sie. Ist das wie Koks?«
»Aber nein. Ecstasy ist ungefährlicher, als alle meinen. Ich habe mir das genau erklären lassen. An und für sich ist die Pille nur eine Abwandlung eines
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