Die Ecstasy-Affäre
schüttelte sie ab und ging durch das Gras, in das Christa ihr Gesicht gepreßt hatte. Ulrike lehnte sich gegen den Wagen. Mein Herz! Mein Herz zerspringt. Bob! Bob! Sie haben mich gezwungen, es zu tun. Ich habe das nicht gewollt. Ich habe um dich gekämpft … aber dein Leben oder sein Leben – oder euer beider Leben, haben sie gesagt. Und ich will doch leben … Ja, ja, ich hasse dich jetzt, du hast mich betrogen, mit dieser verdammten Jugend betrogen … aber ich liebe dich doch … und Haß, Haß ist doch auch eine Art von Liebe. Man kann nur hassen, was man liebt … Und aus Haß kann doch wieder Liebe werden. Bob! Bob!
Sie fuhr herum, als habe sie einen heißen Hauch im Nacken verspürt.
Salvatore kam auf sie zu. Er ging die Straße hinunter wie ein fröhlicher Wanderer. Ulrike hörte ihn nicht, aber es war ihr, als pfeife er leise vor sich hin.
Da stürzte sie in den Wagen, krümmte sich auf dem Sitz zusammen, drückte die Hände gegen ihre Ohren und biß in das Polster.
Robert war zu dem Busch gegangen, unter dem er Christa niedergelegt hatte. Die Polizei hatte die Lage der Leiche mit Kreide nachgezeichnet, und als Robert nun davor stand und auf die Konturen starrte, schienen sie sich aufzufüllen, wurden zu einem greifbaren Körper, lag Christa wieder vor ihm wie in jener Mondnacht. Und wie in diesen schrecklichen, unbegreiflichen Minuten fiel Robert wieder auf die Knie, beugte sich über die Zeichnung, und er sah Christas Gesicht wieder, ihr Weizenhaar, ihren im Tod entspannten, lächelnden Mund und den Mondglanz auf ihrer nackten Haut.
Er beugte sich tief hinunter, um sie noch einmal zu küssen, und sein Nacken lag bloß.
Die ideale Haltung. Besser konnte sie nicht sein.
Salvatore war lautlos wie ein Raubtier über die Wiese gekommen. Er blickte sich schnell um. Die Straße war leer bis auf Roberts Auto, kein Mensch weit und breit … Der Sizilianer hob die Pistole mit dem aufgeschraubten Schalldämpfer, hielt sie zehn Zentimeter von Roberts Nacken entfernt, und dann war nur noch ein dumpfes Plop zu hören, das Robert nicht mehr wahrnahm. Er fiel nach vorn über die Zeichnung, sein Mund lag genau auf der Stelle, wo Christas Lippen gewesen waren, und das Blut aus seinem Nacken rann über die Umrisse ihres Kopfes.
Salvatore steckte die Pistole ein, ging zurück zu Roberts Wagen und riß die Tür auf. »Komm!« sagte er. »Steig um. Wo wollen wir zu Mittag essen? Ich kenne ein gutes Lokal am Starnberger See.«
Ein Schüttelfrost erfaßte Ulrikes Körper, aber sie stieg aus und folgte Salvatore zu dem wartenden Mercedes, ohne sich noch einmal umzublicken.
Zwei Stunden später läutete bei Wortke das Telefon. Die Polizei von Steinebach.
»Wir haben noch 'n Toten«, sagte der Revierleiter. »An derselben Stelle. Ganz frisch. Genickschuß …«
»Jetzt sitzen wir mitten in der Scheiße!« antwortete Wortke in seiner bekannt drastischen Art. »Ecstasy und Mafia-Mord … Was wollen wir noch mehr?«
Zweiter Teil
»Nun kommt etwas Licht in die Sache«, stellte Wortke fest. »Und trotzdem wird sie komplizierter.« Zusammen mit Reiber hatte er Tatort und Leiche besichtigt, die Spurensicherung hatte leichte Arbeit gehabt, der Polizeiarzt war eigentlich bei einem so offensichtlichen Genickschuß gar nicht nötig, die Tatzeit war fast genau zu berechnen. Aber da waren trotzdem viele Dinge, die bei Morden ungewöhnlich waren.
»Das war eine einwandfreie Hinrichtung«, fuhr Wortke fort. »In bester Mafia-Art. Aber anstatt Spuren zu verwischen, hat er uns das Opfer wie auf einem Tablett serviert. Der Tote heißt Robert Habicht, hat alle Papiere bei sich, unten steht sein Auto, und darin liegen Luftmatratzen und das zusammengepackte Zelt, Gaskocher, Topf, Pfanne. Wir wissen jetzt also, daß dieser Habicht mit Christa Helling hier gezeltet hat, daß er Zeuge ihres Todes war und sie unter den Busch gelegt hat. Er muß ihr Ecstasy gegeben haben, offensichtlich zuviel, und ihr plötzlicher Tod hat ihn in Panik versetzt. Der Hergang dürfte nun klar sein. Warum aber ist Habicht hierher zurückgekehrt, und wer hat ihn hingerichtet – genau an der Stelle, wo das tote Mädchen gelegen hat? Hast du dafür eine Erklärung?«
Reiber hatte sich bei Besichtigung des Tatorts eigene Gedanken gemacht. Sie waren so abwegig, daß er sie Wortke bisher noch nicht mitgeteilt hatte.
»Es gibt drei Möglichkeiten«, meinte er jetzt. »Die erste: Habicht war irgendwie mit der Mafia verbunden, wollte nach dem Unfall mit Christa
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