Die Ecstasy-Affäre
Polizei soll er weglassen. Wir sind doch immer die Ersten, die von allen Seiten in den Hintern getreten werden.«
Er wartete, bis Habicht sich ein wenig beruhigt und seinen Atem wieder unter Kontrolle hatte. »Können wir weiter?« fragte er.
»Ich kann nichts mehr sagen.« Habicht schüttelte den Kopf. »Was wollen Sie denn noch wissen?«
»Hat Ihr Sohn irgendwann einmal von einem Mädchen gesprochen?«
»Mein Sohn Robert hatte zu Mädchen wenig Kontakt. Wenn er verliebt war, dann in seine Musik.«
»Er hat sich nie mit Mädchen getroffen?«
»Ich habe nie danach gefragt. Er ging selten aus, und wenn, dann zu seinen Pfadfindern.«
»Deshalb auch die komplette Zeltausrüstung.«
»Ja. Ich habe sie ihm zu Weihnachten geschenkt. Vor drei Jahren …«
»Halten Sie es für möglich, daß er heimlich Drogen genommen hat?«
»Nein! Das hätten wir doch merken müssen.«
»Die Eltern sind meistens die Letzten, die darauf aufmerksam werden. Wichtig für uns ist jetzt vordringlich: Wo hat Ihr Sohn die letzten drei Wochen gewohnt? Trauen Sie ihm zu, daß er drei Wochen lang irgendwo in seinem Zelt übernachtet hat?«
»Ich kann nichts mehr sagen.« Habicht hob hilflos die Schultern. »Alles, was Sie fragen, paßt nicht zu meinem Sohn Robert. Sie fragen nach einem mir fremden Menschen. Das ist er einfach nicht …«
»Ich weiß, Sie stehen vor einem fürchterlichen Rätsel. Wir auch. Aber ich habe die große Hoffnung, daß wir Licht in dieses Dunkel bringen.«
»Wenn mein Sohn Robert von der Mafia hingerichtet wurde, können Sie die Akten schließen. Sie werden nie den Mörder finden. Wo wollen Sie ihn denn suchen?«
»In der Drogenszene«, sagte Reiber. »Da kennen wir uns gut aus.«
»Sagen Sie das noch mal!« Habicht holte wieder tief Atem. Dieser Schmerz, dieser irrsinnige Schmerz! Robert ist tot. Robert ist ermordet worden! Warum atmest du noch? »Da kennen Sie sich gut aus?« Und dann schrie er wieder, um den inneren Druck loszuwerden, der ihn fast erstickte: »Sie kennen sich aus … aber für Hunderte Millionen Mark wird weiter Rauschgift verkauft! Ist die Polizei eine Schlafgemeinschaft?«
»Immer wir armen Bullen!« Wortke ging zum Telefon und hob den Hörer ab. »Ich lade Sie ein, vierundzwanzig Stunden in meinem Kommissariat zu verleben. Dann denken Sie anders.« Er tippte auf das Telefon. »Darf ich?«
»Bitte.«
Wortke wählte eine Nummer, nannte seinen Namen und sagte dann nur: »Wir sind in einer halben Stunde da.« Er legte auf und trat vom Schreibtisch zurück. »Das war die Gerichtsmedizin. Können wir fahren, Herr Dr. Habicht?«
Und Habicht, sich mühsam straffend, nickte nur.
Die Identifizierung des Toten dauerte keine fünf Minuten.
Die Kälte des gekachelten Raumes, die Reihe der Kühlboxen, in denen die Leichen lagen, die Rollbahre, auf der Robert herausgezogen wurde, das alles ging an Habichts Bewußtsein vorbei. Er war an die Bahre getreten, der Arzt hatte kurz das Tuch gelüftet, ein kurzer Blick auf das bleiche Gesicht … Habicht nickte.
»Es ist mein Sohn Robert.«
Seine jetzige Haltung war bewundernswürdig. Die Schlaffheit war einer völligen Starrheit gewichen. Er verließ den Kühlraum mit steifen, wie aufgezogenen Schritten und sprach erst wieder ein Wort, als sie in Wortkes Wagen stiegen.
»Was jetzt?« fragte er mit fast tonloser Stimme.
»Sie müssen den schwersten Gang antreten, Herr Oberregierungsrat«, antwortete Reiber.
»Zu meiner Frau …«
»Haben Sie einen Hausarzt?«
»Ja. Dr. Heimes.«
»Sie sollten ihn anrufen, damit er zugegen ist, um Ihre Frau zu betreuen.«
»Ja. Rufen wir ihn an. Soll er schon unterrichtet werden?«
»Ich halte das für notwendig. Kannte er Ihren Sohn gut?«
»Er ist seit zwölf Jahren unser Hausarzt. Er hat Roberts Entwicklung miterlebt.«
»Und auch er hat nichts von Drogen bemerkt?«
»Nein. Dann wüßte ich es auch. Dann hätten wir alle Maßnahmen ergriffen, die möglich sind. Meine Herren, ich glaube nicht an Ihre Drogen-Theorie. Der Mord muß ein Irrtum gewesen sein.«
»Die Beweise sind eindeutig.« Wortke setzte sich hinten neben Habicht. Reiber fuhr den Wagen. »Wie wollen Sie es Ihrer Frau sagen?«
Dr. Habicht rief Dr. Heimes nicht an … auf dem Weg zu seinem Haus fuhren sie bei dem Arzt vorbei. Er war in der Praxis, im Wartezimmer saßen drei Patienten. Entsetzt hörte er das Unglaubliche, schloß sofort die Ordination, schickte die Patienten nach Hause. »Ein Notfall, ich bitte um Verständnis. Bitte, kommen
Weitere Kostenlose Bücher