Die Ecstasy-Affäre
Schlafzimmer getragen oder auf die Couch geworfen. Jetzt dachte er nur: Es hat keinen Sinn mehr, Ulrike.
»Wann willst du fahren?« fragte sie.
»Sofort nach dem Frühstück.«
»Zum Wörthsee?«
»Wenn das so wichtig ist – meinetwegen! Ich habe es mir in der Nacht überlegt. Wenn du dort stehst, wo Christa gestorben ist, werde ich dich verfluchen! Das ist der beste Abschied.«
Sie antwortete nicht, sondern ging in die Küche und griff dort nach dem Telefon. In der Toscana-Bar war Salvatore Brunelli sofort am Apparat. Er wartete schon seit acht Uhr.
»In einer halben Stunde fahren wir zum Wörthsee. Es hat geklappt.«
Sie legte schnell wieder auf, brachte die Kaffeekanne mit und setzte sich wieder Robert gegenüber. Lange sah sie ihn stumm an, während er ein Brötchen mit gekochtem Schinken aß.
»Warum starrst du mich so an?« fragte er zwischen zwei Bissen.
»Ich will das Bild eines Mannes in mir einbrennen, den ich nie wiedersehen werde.«
»Ich würde es an deiner Stelle aus deinem Gedächtnis streichen … so wie ich es tue.«
Haß. Haß. Haß.
Salvatore, dachte Ulrike, ich werde nicht spazieren gehen. Ich will dabei sein, ich will es sehen! Wie nennt von Gleichem mich? Satansengel. Ich werde diesen Namen wie einen Orden tragen.
Nach fast genau einer halben Stunde stand Robert abfahrbereit vor seinem Wagen. Er blickte sich um. Ulrikes Auto war nicht zu sehen.
»Ich denke, du willst hinter mir herfahren?« fragte er.
»Habe ich das gesagt? Ich steige bei dir ein.«
»Und wie kommst du zurück? Ich fahre weiter zu meinen Eltern.«
»Mit der S-Bahn.« Sie riß die Tür des Citroën auf. »Ich möchte noch einmal an deiner Seite durch das Land fahren. Kannst du das noch aushalten?«
»Ich halte alles aus, um endlich frei zu sein! Steig ein.«
Haß. Haß. Haß.
Während sie über den Mittleren Ring zur Autobahn Lindau fuhren, sagte Robert plötzlich: »Die letzten Ecstasy habe ich gestern in den Chiemsee geschüttet.«
»Das war Dummheit. Wieviel?«
»Ich weiß es nicht. Ich konnte sie einfach nicht mehr bei mir tragen.«
»Aber jetzt fehlen sie bei der Abrechnung.«
»Du kannst das Geld von meinem Konto abbuchen. Es ist genug drauf.«
»Und du Idiot willst das alles aufgeben! Wegen eines dummen Unfalls?«
Die letzte Chance, die allerletzte. Noch können wir umkehren und in die andere Richtung fahren. Zum Tegernsee. Mittagessen bei Bachmaier.
Aber Robert antwortete: »Ich will Frieden mit mir selbst machen. Ich will meine Schuld abtragen. In meiner Welt, nicht in deiner Welt. Ich werde mein gesamtes Geld anonym an Christas Eltern überweisen.«
»Tote kann man nicht kaufen. Kein Geld kann sie wieder lebendig machen.«
»Du sagst es. Aber auch dieses mit Gift zusammengeraffte Geld kann ich nicht mehr ertragen. Du wirst einmal reich sein durch Ecstasy, weil du kein Gewissen hast. Ich habe es behalten. Gott sei Dank!«
Die letzten zwei Kilometer bis zum Wörthsee. Und dann die leicht kurvige Straße, das sanft ansteigende Wiesenstück, der Platz, wo das Zelt gestanden hatte, wo sie Erbsensuppe gekocht und Hamburger gebraten hatten, die Buschgruppe, unter der Robert die Leiche abgelegt hatte, das Gras, in das Christa ihre kleine Nase gesteckt und gesagt hatte: »Ich rieche die Erde, ich rieche die Sonne … Und dort oben ist mein Stern …«
Sie kamen an einem Mercedes vorbei, der in einer Ausbuchtung der Straße parkte. Ulrike zog den Kopf zwischen die Schultern und starrte geradeaus.
Salvatore ist da. Die Uhr tickt die letzten Minuten. Bob, halt nicht an. Fahr weiter, fahr weiter! Ich will die Stelle doch gar nicht sehen. Es war von Gleichems Idee. Fahr … fahr …
Panik kroch in ihr hoch. Sie krallte ihre Finger in Roberts Arm, der plötzliche Schmerz ließ ihn den Kopf zu ihr wenden. Er sah in ein Gesicht, das er kaum wiedererkannte. Mit einem Ruck versuchte Robert, sich von Ulrikes Griff zu befreien, aber ihre Nägel drangen nur noch tiefer in sein Fleisch.
»Was ist denn mit dir los?« rief er. »Was soll das? Hast du plötzlich ein Gewissen? Du wolltest doch die Stelle sehen. Hier ist sie.«
Er bremste, stieg aus und zeigte auf den leichten Hang.
»Laß … laß uns weiterfahren, Bob«, stammelte sie. »Ich habe genug gesehen. Es ist nur eine Wiese … eine Wiese wie tausend andere auch. Sie hat für mich keine Bedeutung.«
»Aber für mich. Jetzt will ich noch einmal die Stelle sehen, wo ich Christa verlassen habe.«
Ulrike wollte ihn wieder festhalten, aber er
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