Die Ecstasy-Affäre
Prozent, ab dem sechsten Jahr fünfzehn. Das ist ein Spitzenangebot.«
»Ich soll also die Dealer heranzüchten?«
»So ist es. Ich besorge – Sie verteilen. Die einfachste Form der Zusammenarbeit.«
»Wobei das ganze Risiko bei mir liegt. Man schnappt immer nur die Dealer, selten die Hintermänner.«
Von Gleichem lehnte sich zufrieden zurück. Aus seinem Schreibtisch holte er eine Kristallkaraffe mit einem fünfzig Jahre alten Cognac, dazu zwei Napoleongläser, in die er das golden schimmernde Getränk einschenkte. Ein Glas schob er zu Ulrike hinüber, das andere nahm er selbst zwischen seine Hände, als wolle er den Cognac anwärmen.
»Nehmen wir an, Sie haben in München einen Wochenumsatz von hunderttausend Mark. Das ist keine Utopie. Mir sind andere Zahlen bekannt. So erreicht Ecstasy zum Beispiel in Chicago einen wöchentlichen Umsatz von über einer Million Mark! Aber München ist nicht Chicago. Bei hunderttausend Mark wäre Ihr Anteil zehntausend Mark, im Monat also vierzigtausend. Bauen wir eine gute Organisation auf, die ganz Bayern umfaßt und sich später auf andere Länder ausweitet, vor allem auf die ›hungrigen‹ neuen Länder Ostdeutschlands, dann braucht man kein Mathematiker zu sein, um auszurechnen, welche Erträge wir einsammeln können. Ihr Unabhängigkeitsziel ist greifbar nahe.«
»Ich klebe mit Ihnen zusammen!«
»Aber nur mit mir! Und das ist keine Abhängigkeit, denn wir sind Partner! So sollten Sie das sehen, Ulrike.«
Sie schwieg. Sie starrte auf das Glas mit Cognac und wagte nicht, die Hand nach ihm auszustrecken. Wenn ich es ergreife, das wußte sie, bedeutet das eine Zusage. Eine Verbindung mit von Gleichem, die nie mehr zu lösen ist. Eine Zusage, die mir den Himmel öffnet, indem ich die Hölle verbreite.
Ecstasy.
Ich werde Generationen verseuchen.
Mit kleinen Pillen, die Hirn, Herz und Leber zerstören.
Mit Pillen, die Glückseligkeit herbeizaubern, die einen schweben lassen, die den Kreislauf hochjubeln, die jede Müdigkeit vertreiben. Pillen, die die Schutzmaßnahmen des Körpers außer Kraft setzen.
Aber man kann damit, wenn die Organisation steht, hunderttausend Mark verdienen. Pro Woche! Das sind vierhunderttausend Mark im Monat. Man kann in drei Monaten Millionär sein! In einem Jahr …
Ulrikes Hand zuckte vor und umfaßte das Cognacglas. Sie hob es von Gleichem entgegen und stieß mit ihm an. Und sie trank es in einem Zug leer.
Mit diesem Schluck hatte sie ihr endgültiges Schicksal bestimmt.
Ein Weg in die Sonne, über zerstörte Körper hinweg …
Und es gab keine Umkehr mehr.
»Ich habe die Möglichkeit, vierzehn Tage durch England zu reisen«, sagte eines Abends Robert zu seinen Eltern. Sie saßen noch am Eßtisch, es hatte Gulasch mit grünen Bandnudeln gegeben, dazu ein Glas alkoholfreies Bier und Mineralwasser, streng natriumarm. Hubert Habicht liebte ein warmes Abendessen, das Mittagessen im ministerialen Restaurant nannte er fade und feldküchenverwandt. Außerdem war es für ihn ein Genuß, mit gefülltem Magen später vor dem Fernseher zu sitzen, die Nachrichten zu sehen und die Meldungen zu kommentieren, was meistens darauf hinauslief, daß er sagte: »Die Welt wird immer verrückter.«
»England?« Habicht hob den Kopf. »Wieso England?«
»Unsere Pfadfindergruppe wird dieses Jahr die Insel besuchen. Im Austausch. Die britischen Kameraden kommen zu uns, wir beziehen ihr Lager. Ich habe mich für die Reise angemeldet. Wir werden in Zeltlagern wohnen. Es ist auch ein Kulturaustausch.«
Kultur war für Habicht einer der Begriffe, bei denen er besonders aufmerksam wurde. Kultur – sie hebt den Menschen vom Tier ab. Ein Tier kann denken, sogar logisch denken, es hat Gefühle, empfindet Schmerz und Freude, entwickelt Charakter und sogar schöpferische Phantasie. Aber nur der Mensch ist fähig, Kultur zu schaffen, was auch immer unter diesem Wort verstanden werden mag.
»Eine gute Idee.« Habicht warf einen schnellen Blick auf die Uhr. Kurz vor zehn … Gleich begannen die Abendnachrichten im Fernsehen. Es war Zeit, ins Wohnzimmer zu gehen. »Wann soll es denn losgehen?« fragte er, indem er aufstand.
»Am kommenden Sonntag.«
»Kosten?«
»Wir rechnen mit rund fünfhundert Mark.«
»Sauber, sauber! Die Väter deiner Pfadfindergruppe scheinen alles Millionäre zu sein. Ich bin nur ein kleiner Staatsbeamter …«
Habicht ging ins Wohnzimmer, setzte sich in den Ohrensessel, der nur ihm vorbehalten war, und knipste den Fernseher an. Robert
Weitere Kostenlose Bücher