Die Ecstasy-Affäre
Hustenbonbons. In allen zivilisierten Ländern steigt die Zahl der Verbraucher. Nur der deutsche Markt ist noch ziemlich unterversorgt.«
»Und was ist das für eine Droge?« Heiserkeit lag in Ulrikes Stimme.
»Man nennt sie Ecstasy.«
»Du meine Güte …«
»Sie kennen sie?«
»Ich habe davon gehört … in Illustrierten gelesen …«
»Hier liegt das Geld sprichwörtlich auf der Straße. Und wir müssen jetzt schneller sein als die großen ›Konzerne‹, um den deutschen Markt zu kontrollieren. Noch gibt es keine straffe Organisation. Aber das werden wir ändern durch Zentraleinkauf und Verteilerfilialen. Dazu brauchen wir unsere polnischen Freunde. Aus Polen kommt das beste Ecstasy, das habe ich seit einem halben Jahr an rund sechshundert Verbrauchern getestet.«
»Und was habe ich damit zu tun?« wiederholte sie ihre Frage. Sie begriff noch immer nicht, warum man ihr das erzählte.
Von Gleichem sah sie seinerseits so verwundert an, als begreife nun er nicht, wieso sie eine solche Frage stellen konnte.
»Sie werden sich zunächst um die polnischen Herren kümmern.«
»Das sagten Sie bereits. Nur charmant sein, nicht mit ihnen ins Bett.« Sie verzog die Lippen zu einem spöttischen Lächeln. »Es wird eine Abwehrschlacht werden. Und was weiter?«
»Das Toscana soll zur Zentrale werden. Alle Lieferungen aus Polen, Tschechien, Holland und Ungarn werden hier ankommen. Und von hier aus wird eine gut durchorganisierte Truppe von Verteilern die Pillen an die Interessenten weitergeben. Für die Abrechnungen der Verkäufer brauche ich eine Person, der ich hundertprozentig vertrauen kann, die mich nicht betrügt, die fähig ist, den Außendienst fest in der Hand zu halten – Sie!«
»Das … das ist doch nicht Ihr Ernst?« Sie spürte, wie plötzlich ihre Knie weich wurden und sie Mühe hatte, sich aufrecht zu halten. Sie war bei dem Wort ›Sie‹ aufgesprungen, nun mußte sie sich wieder setzen. Es war ein Hineinfallen in den Sessel. Von Gleichem lächelte verständnisvoll. »Ich kann das doch gar nicht … Und außerdem haben Sie nicht gefragt, ob ich das überhaupt will!«
»Sie wollen, Ulrike.«
»Ich will nicht!«
»Und warum nicht? Mich interessieren Ihre Gründe.«
»Ich will nie etwas mit Rauschgift zu tun haben.«
»Das haben Sie auch nicht.« Von Gleichem lehnte sich zurück und schüttelte den Kopf, als sei alles ein Mißverständnis. »Ecstasy ist kein Rauschgift.«
»Es ist eine Droge!«
»Das ist Alkohol auch! Und den verkaufen Sie in vielen Variationen jeden Abend literweise. Man könnte argumentieren: Alkohol zerstört die Leber und die Hirnzellen. Sie machen sich also mitschuldig an der Zerstörung menschlicher Körper.«
»Das ist doch Unsinn! Wortklauberei!« Ulrike sprang wieder aus dem Sessel hoch. »Wie können Sie Alkohol mit Ecstasy vergleichen?«
»Ganz einfach: Es ist eine andere Art von Rausch, weiter nichts. Alkohol vernebelt die Sinne, Ecstasy weckt sie zu Hochleistungen. Es wäre eine Streitfrage, was besser ist: Alkoholstumpfsinn oder sprudelndes Lebensgefühl? Was würden Sie vorziehen, Ulrike?«
»Ein normales Leben ohne Drogen.«
»Was ist heute normal?« Von Gleichem winkte ab, als habe Ulrike etwas Superdummes gesagt. »Der heutige Mensch braucht zum Leben die ständige Berieselung seiner Nerven. Disco, Radio, Musik, Fernsehen, Fußballschlachten, plattgehauene Boxernasen, durch die Luft fliegende Tennisspieler, Mord auf der Mattscheibe, je grausamer, um so schöner. Und dann die Kriege und Greueltaten überall auf der Welt, Bombenexplosionen, Killerkommandos, Flugzeugabstürze, Erdbeben. Welch ein Nervenkitzel, wenn man das alles vom sicheren Sessel aus sieht und miterlebt! Wie fad und traurig wäre das Leben, wenn der Mensch nicht solch eine aus den Fugen geratene Bestie wäre!«
»Wenn man Ihnen zuhört, bekommt man eine Gänsehaut. Sie verachten die Menschen!«
»Nein, ich benutze nur ihre Schwächen. Ich will ihnen nur das geben, was sie glauben, brauchen zu müssen: in unserem Fall Ecstasy.« Von Gleichem beugte sich zu Ulrike über den Schreibtisch. »Sie machen mit?«
»Wieviel Prozent?«
»Ich wußte es: Sie sind der teuflische Engel!«
»Ich will aus dem Sumpf meines Lebens heraus und endlich einmal die Sonne der Unabhängigkeit erleben. Auch der Unabhängigkeit von Ihnen.«
»Zehn Prozent vom Umsatz?« bot er.
»In der Anfangsphase. Dann fünfzehn Prozent!«
»Staffeln wir: Zehn Prozent in den ersten zwei Jahren. Bis zum fünften Jahr zwölf
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