Die Ecstasy-Affäre
das dritte Mal und das vierte Mal – bis einer den Fehler macht, der ihn verrät. Wir kennen das doch, Theo: Fehler macht jeder früher oder später. Man muß nur Geduld haben und bohren, bohren, bohren. So hart ist kein Brett, daß man nicht durchkommt.«
»Übermorgen wird Lisa Brunnmeier begraben. Die Staatsanwaltschaft hat die Leiche freigegeben.«
»Ich weiß.«
»Gehst du zur Beerdigung?«
»Ja. Und du?«
»Ich werde etwas abseits stehen. Und beobachten. Ich habe schon öfter erlebt, daß Mörder Blümchen ins Grab werfen.«
»Deine Mörder sind eine andere Sorte! Hier hat jemand nur eine Tote weggeschleppt und versteckt. Er hat sie nicht umgebracht, er hatte nur Angst, Panik, Entsetzen. Die wahren Mörder sitzen woanders, und an die will ich ran!«
Reiber zerknüllte das abgeschriebene Obduktionsprotokoll und warf es in den Papierkorb. In der Heftigkeit seines Wurfes drückte sich seine ohnmächtige Wut aus.
»Wir müssen noch einmal miteinander reden«, sagte von Gleichem und hatte sein obligatorisches Cognacglas vor sich stehen. Er hatte Ulrike rufen lassen und sprach mit verhaltener Stimme. Es konnte also eine gefährliche Unterhaltung werden. »Ich habe lange über diesen Robert Habicht nachgedacht. Ich habe auch Erkundigungen eingezogen. Vater in der Bayerischen Landesregierung, guter Beamter, aber unscheinbar, ein typischer Stuhlfurzer mit Pensionsberechtigung. Eigenes Haus, keine Kredite. Sohn Robert, Ihr Liebhaber, ein braver Junge, macht sein Abitur, spielt vorzüglich Piano, wandert mit den Pfadfindern, hat sonst keine Ambitionen als die Musik, wird von den Eltern umhegt und gepflegt, ist das, was man häufig als Muttersöhnchen bezeichnet. Und ausgerechnet so etwas ziehen Sie sich ins Bett, Ulrike. Das ist doch pervers!«
»Sie sehen das falsch, Herr von Gleichem.« Ulrike lächelte ihn überlegen an. Was du von Robert herausbekommen hast, sind nur Äußerlichkeiten … Ich kenne ihn besser. Ich habe den wahren Robert Habicht erweckt. »Jeder Mensch ist entwicklungsfähig.«
»Und Sie haben die richtigen Mittel dazu …«
»Ich glaube, Sie trauen mir das zu.«
»Ich traue Ihnen alles zu, jeden Himmel und jede Hölle. Trotzdem, der Knabe ist mir zu sensibel, zu labil.«
»Das sagten Sie schon einmal. Er hat sich gewandelt …«
»In was?«
»Er ist ein Mann geworden. Und dieser Mann hat mit dem ehemaligen Robert Habicht nur noch den Namen gemeinsam.«
»Sie hätten Änderungsschneiderin werden sollen.« Von Gleichems Zynismus traf Ulrike nicht, sie hatte sich daran gewöhnt. Seine Sprüche und Bonmots zeigten bei ihr keine Wirkung mehr. »Wie sieht der Knabe denn jetzt aus?«
»Er wird mit mir zusammen das ›Geschäft‹ aufbauen.«
»Oha! Das muß noch diskutiert werden.«
»Er hat eine Ecstasy-Pille genommen und wird von nun an nicht mehr davon loskommen.«
»Sind Sie so sicher?«
»Er wird keinen eigenen Willen mehr haben. Er wird nur noch tun, was ich ihm sage. ›Ich lebe in dir‹, hat er einmal zu mir gesagt. ›Ohne dich bin ich leer.‹«
»Liest der Junge auch noch Kitschromane?« Von Gleichem lachte kurz auf. »Ulrike, wie ich das jetzt sehe, sind Sie wirklich in ihn verliebt. Und Sie haben ihn sich hörig gemacht. Aber eines Tages wird er aus diesem Zustand erwachen. Was dann?«
»Daran denke ich nicht.«
»Aber ich! Ein Millionengeschäft hängt an diesem Erwachen! Oder einige Jahre gesiebte Luft! Ulrike, Sie waren sehr unvorsichtig! In unserer Branche denkt man mit dem Kopf, nicht mit dem Unterleib. Ich habe mich gestern den ganzen Tag über gefragt: Was machen wir mit diesem Robert Habicht?«
»Er wird für uns arbeiten.«
»Ulrike, Sie halten Ihren Kopf dafür hin!«
»Ich habe keine Angst, ihn zu verlieren.« Sie sah von Gleichem kampflustig in die Augen. Was weißt du von Robert, dachte sie. Er ist aus seiner Kindheit erwacht und hat eine Welt betreten, die ihm niemand außer mir bieten kann. Wir werden zusammen dieses Geschäft hochziehen und in ein oder zwei Jahren auf Mallorca oder auf Madeira den Reichtum genießen, den wir zusammengescharrt haben. Verdammt, ja, ich liebe ihn … Aber er ist auch ein Werkzeug, das ich brauche, um die Straßen zu kehren, auf denen das Geld liegt. Und später … Denken wir nicht an später. Robert wird auch jede Falte lieben, die ich eines Tages bekomme.
»Wir leben gefährlich, vergessen Sie das nicht.« Von Gleichem legte die Hände gegeneinander. Es sah aus, als bete er. »Gestern nacht gab es einen Todesfall.
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