Die Ecstasy-Affäre
Tabletten an die Dealer weiter, er ist gemeinsam mit mir eine Art Großhändler, er kommt mit den Konsumenten nie zusammen, er wird nie mit dem Tod unmittelbar konfrontiert werden.«
»Aber er hört davon und weiß, daß er die Tabletten verkauft hat.«
»Hängt sich ein Schnapsfabrikant auf, weil sich jemand an seinem Doppelkorn zu Tode gesoffen hat?«
»Wir drehen uns im Kreis, Ulrike.« Von Gleichem begriff, daß es sinnlos war, mit ihr über Robert Habicht zu diskutieren. Er mußte einen anderen Weg finden, um diese Verbindung zu zerreißen. »Der Junge mag dank Ihrer Erfahrung und Liebeskunst ein vorzüglicher Liebhaber werden, zusammen mit Ecstasy unermüdlich, ausdauernd und stark … Er bleibt trotzdem ein Weichling, dem ich nichts zutraue. Er mag hervorragend Chopin spielen – für unser Geschäft ist er nicht geeignet. Und dabei bleibe ich, auch wenn Sie das anders sehen.«
Ulrike schlief nur wenig in dieser Nacht.
Kurz vor acht Uhr morgens klingelte es. Sie schrak hoch, blickte auf den Wecker auf dem Nachttisch und drehte sich auf die andere Seite. Um zehn vor acht hat keiner bei mir zu klingeln, dachte sie. Bis elf Uhr mindestens bin ich nicht zu sprechen. Laßt mich schlafen. Wer da auch draußen steht – hau ab!
Aber es klingelte weiter, ohne Unterbrechung. Jemand mußte wohl den Daumen ständig auf den Knopf drücken.
Ulrike setzte sich auf und ballte die Fäuste. »Ruhe!« schrie sie. Natürlich hörte der Quälgeist, der unten an der Haustür stand, dies nicht. »Ich will schlafen! Hau ab, du Wildsau!«
Als habe der Klingler es gehört, unterbrach er sein Schellen, um es dann von neuem, diesmal rhythmisch, aufzunehmen. Dreimal kurz, dreimal lang, dreimal kurz, dreimal lang, immer und immer wieder. Es war nervtötend.
Ulrike sprang aus dem Bett, rannte zur Wohnungstür, drückte auf den elektrischen Türöffner, zog ihren Morgenmantel an und legte die Sicherheitskette vor. Dann öffnete sie die Tür einen Spalt.
Die Treppe herauf hetzte eine große schlanke Gestalt und blieb schwer atmend im Treppenhaus stehen. Ulrike öffnete die Tür ganz.
»Du Idiot!« sagte sie grob. »Was willst du hier? Du weißt doch, daß ich um diese Zeit schlafe …«
»Genau das ist es.« Robert Habicht lächelte sie an, und dieses jungenhafte Lächeln zerbrach ihren Widerstand. »Ich will bei dir sein, wenn du schläfst.«
Sie trat zur Seite. »Komm rein!« sagte sie. »Warum bist du nicht in der Schule?«
»Ich habe angerufen. Ich bin krank. Für eine Woche. Wir haben wieder eine Woche für uns. Eine Woche lang jeden Vormittag von acht bis eins.«
»Und dann soll ich schlafen?«
»Willst du das?« Er streifte den Morgenmantel von ihrer Schulter, beugte sich zu ihr und küßte ihre Brüste. Auch wenn sie sich innerlich noch wehrte, durchrann sie ein Kribbeln, das von den Zehen bis zu den Haarspitzen zog. Sie krümmte die Zehen, als Roberts Lippen sich an ihren Warzen festsaugten, und als seine Hand nach ihrem Schoß tastete, drängte sie sich ihm entgegen. Es gab einfach keine Gegenwehr. Nur noch das Verlangen war da, zwingend, ungebändigt, mit dem Blut in jeder noch so kleinen Ader pulsierend.
Auf dem Bett liegend, seine kraftvolle Nacktheit von Ulrikes Beinen umschlungen, hob Robert plötzlich den Kopf und unterbrach seine Liebkosungen.
»Gib mir eine Pille …«, sagte er mit schwerem Atem.
»Nein!« Sie stemmte die Hände gegen seine Brust. »Nein, Bob!«
»Bitte! Ich will das wieder erleben wie zuletzt … Dieser Himmel, der auf mich fällt. Dieses Schweben. Dieses Abheben von der Erde. Bitte …«
»Nein, Bob! Nein!«
»Ich muß es wieder erleben. Sei nicht so grausam. Bitte, bitte …«
Und sie gab ihm die Pille, Ecstasy, Marke Smiley.
Nach knapp einer Stunde setzte die Wirkung ein.
In Robert brach ein Vulkan auf, vier Stunden lang.
Es waren Stunden voller Leidenschaft und irrsinnigem Glück. Vier Stunden lang war Robert ein Mensch voll geballter Energie. Einer künstlichen Energie, die das Herz in Flimmern versetzte und das Gehirn paralysierte.
Es war ein Rausch, der einen Übermenschen schuf.
Und seine Vernichtung.
Hua Dinh Son bekam wieder einen Anruf. Es war eine andere Stimme, aber sie sprach vietnamesisch. Ein Bruder aus der Heimat. Son freute sich, auch wenn er wußte, warum dieser Anruf ihn erreichte.
»Du wirst eine schöne Reise machen«, sagte die Stimme mit all der Freundlichkeit und Höflichkeit, die einem Asiaten angeboren sind.
»Ich bin bereit, die Welt zu sehen«,
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