Die Ecstasy-Affäre
…«
»Ein Asiat würde das sofort begreifen. Warum braucht ihr Europäer immer lange Erklärungen? Überdenken Sie Ihre Situation, Herr von Gleichem. Sie hatten drei Partner: die Herren aus Polen. Sie lieferten Ihnen Drogen. LSD, aber vor allem Ecstasy, die Wunderpille der Jugend. Wir wissen, daß es schlechte Ware war. Unrein, verschnitten, gefährlich. Nun gibt es diese drei Herren nicht mehr, und Sie sind gezwungen, neue Lieferanten zu suchen. Ehrliche Partner. Geschäftsfreunde, hinter denen ein ungeheures Potential steckt.«
»Und das sind Sie?« fragte von Gleichem. Sein Zynismus brach wieder durch. »Sie heißen Lok? Ich nehme an, Sie sind Vietnamese.«
»Da haben wir schon einen Schritt zur Verständigung.«
»Klarer ausgedrückt: Die vietnamesische Mafia will München erobern, so wie sie bereits Berlin erobert hat. Nur das Produkt wechselt. Statt Zigaretten nun Ecstasy.«
»Ich bewundere Ihre Intelligenz«, warf Lok höflich ein.
»Und ich bewundere Ihre Frechheit. Damit sind wir quitt.«
»Der Vertrag, Herr von Gleichem.«
»In den Papierkorb. Zum Hintern abwischen ist das Papier zu hart.«
»Ich bemerke, Sie haben auch Humor.« Lok beugte sich etwas vor. Er verlor nichts von seiner Höflichkeit, als er fortfuhr: »Uns interessiert nicht der Verteilermarkt, es geht nur um die Lieferung. Unsere Drogenküchen liefern die reinsten Produkte. Die Gewinnspanne für Sie ist zwar etwas geringer als bei den Polen, dafür genießen Sie aber neben einer einwandfreien Ware auch einen umfassenden Gebietsschutz. Sie sollten den Vertrag wirklich lesen, Herr von Gleichem.«
»Ich will erst Ihre Produkte prüfen, Herr Lok.«
»Zugestanden.« Lok erhob sich und vollführte eine leichte Verbeugung. »Morgen schicken wir Ihnen eine Auswahl zu. Ich weiß, Sie werden den Vertrag unterschreiben. Jetzt, wo die drei polnischen Herren Sie verlassen haben …«
Er ging zur Tür, aber bevor er die Klinke hinunterdrückte, hielt ihn eine Frage von Gleichems auf. »Wo ist der Unfall passiert?«
»Im Nymphenburger Park.«
»Du lieber Himmel! Was hatten sie denn dort zu suchen? Sie wollten doch hierher!«
»Man hat sie im Nymphenburger Park gefunden. Sie lagen nebeneinander.«
»Gefunden? Nebeneinander?« Von Gleichem war sichtlich irritiert. »Und das Taxi?«
»Es war kein Taxi da.«
»Aber der Wagen muß doch …«
»Sie starben schnell und schmerzlos.« Lok öffnete die Tür. Salvatore, der draußen wartete, hörte die Worte so klar wie Franz von Gleichem. »Sie wurden erwürgt. Mit einer Stahlschlinge. Ich wünsche Ihnen noch eine erfreuliche Nacht …«
Niemand hinderte Lok daran, das Toscana zu verlassen.
Bei der Münchner Mordkommission war Großalarm ausgelöst worden. Kriminaloberrat Wortke wurde aus dem Bett geholt, der wiederum rief Reiber an und schrie ins Telefon:
»Die Scheiße läuft über! Drei Tote im Nymphenburger Park, sauber nebeneinander gelegt, ein toter Taxifahrer in seinem Wagen am Hirschgarten. Und alle vier mit einem Stahldraht erwürgt. Das sind klassische OK-Morde!« Die Abkürzung bedeutete, daß es sich um Morde der organisierten Kriminalität handelte.
Danach ließ er sich noch einmal mit seinem Kommissariat verbinden. Dort lief alles mit größter Routine ab. Polizeiarzt, Fotografen, vier Zinkwannen waren schon unterwegs. Die Spurensicherung mußte bereits am Fundort der Leichen sein. Die Polizei sperrte das Gebiet ab.
»Vier auf einmal!« sagte Wortke, als er im Auto saß, zu seinem Fahrer, einem Kriminalhauptwachtmeister, »ich wußte gar nicht, wie nahe München bei Palermo liegt. Oder ist es Hongkong? Ich wette, auch diese vier werden als Akte im Regal verstauben. Was nützen Reiber und dem LKA ihre verdeckten Ermittler? Hier wütet jemand herum, der unsichtbar bleibt! An den keiner herankommt.«
»Es kann nicht nur einer sein, Herr Oberrat.« Der Hauptwachtmeister schüttelte den Kopf. »Unmöglich. Man kann doch nicht vier Menschen gleichzeitig umbringen!«
»Das werden wir uns genau ansehen, Hermann. Ich lasse mich nicht mehr überraschen, alles ist möglich, auch wenn es noch so verrückt und absurd scheint.«
»Wenn der Mörder geschossen hätte … Aber mit einer Drahtschlinge erwürgt? Vier auf einmal? Das geht doch nicht.«
Kurz nach Wortke traf auch Reiber an der Fundstelle ein. Der Fotograf hatte die drei Toten fotografiert, der Polizeiarzt machte sich Notizen. Ein anderes Team der Mordkommission untersuchte den toten Taxifahrer im Hirschgarten und stand per Funk
Weitere Kostenlose Bücher