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Die Ecstasy-Affäre

Die Ecstasy-Affäre

Titel: Die Ecstasy-Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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auffällt.
    Son war, wie gesagt, ein Virtuose des Tötens. Statt nach Schwabing zum Toscana fuhr er entgegengesetzt in Richtung Nymphenburger Park. Die Fahrstrecke hatte er vorher im Stadtplan genau studiert. Er saß schweigend hinter dem Steuer, bis einer der Polen erstaunt sagte: »Hier geht es aber nicht nach Schwabing.«
    »Nein, Sir.« Son sah ihn im Rückspiegel an. »Ich habe von Herrn von Gleichem den Auftrag bekommen, Sie zu seinem Privathaus zu bringen. Es liegt etwas außerhalb von München.«
    »Aber es war vereinbart …«
    »Sorry, ich kann dazu nichts sagen, Sir. Ich habe meinen Auftrag.«
    Die drei Herren aus Polen begannen in ihrer Sprache zu diskutieren. Irgend etwas schien ihnen nicht zu gefallen, machte sie stutzig, paßte nicht in ihre Planung. Der Pole auf dem Nebensitz legte seine Hand auf Sons Arm.
    »Halten Sie bitte an.«
    »Hier, Sir?« fragte Son. »Wir sind am Nymphenburger Park.«
    »Fahren Sie uns bitte in die Stadt zurück. Aber vorher halten Sie an.«
    Son bremste. Die drei Polen stiegen aus, und das war ihr tödlicher Fehler. Auch Son verließ das Taxi, in dessen Kofferraum der tote Fahrer lag, und während die Polen noch immer miteinander diskutierten, holte Son einen Einkaufsbeutel, den er mitgenommen hatte, unter seinem Sitz hervor und zog einen mit nassem Sand gefüllten Strumpf hervor.
    So eine mit Sand gefüllte Langsocke ist ein hervorragendes Betäubungsinstrument. Der dumpfe Schlag auf den Kopf lähmt sofort alle Nerven und führt zur Bewußtlosigkeit. Der größte Vorteil aber ist, daß er keine Verletzungen hinterläßt, nicht einmal einen Bluterguß oder eine Beule. Ein Strumpf mit nassem Sand ist kein harter Gegenstand, der äußerliche Wunden verursacht.
    Son war ein schneller Mann: Drei Schläge hintereinander wie drei Paukenschläge, und die Polen sanken um. Nun war es für Son ein leichtes, seine Stahlschlinge um die Hälse zu legen und sie zuzuziehen.
    Er war von jeher ein ordentlicher Mensch. Darum ließ er die drei Leichen nicht einfach liegen, sondern schleppte sie zur Seite an ein Gebüsch, legte sie, als habe er sie sortiert, nebeneinander auf den Rücken, als würden sie schlafen, schloß ihnen sogar die Augenlider, wie man es bei Toten pietätvoll tut, stieg dann in das Taxi, fuhr zum Hirschpark hinüber, holte den Taxifahrer aus dem Kofferraum, setzte ihn wieder hinter das Steuer und bummelte dann eine Stunde lang durch die Gegend, bis er in der Arnulfstraße in einen Bus stieg und sich in die Innenstadt bringen ließ.
    Im Restaurant des Augustinerbräus bestellte er sich Schweinshaxe mit Sauerkraut, auf die er sich schon den ganzen Tag über gefreut hatte, trank dazu ein Weißbier und fühlte sich rundum wohl. Er hatte seine Auftraggeber nicht enttäuscht. Darauf war er stolz.
    So einfach ist es, vier Menschen auf einmal umzubringen, wenn man so begabt im Töten ist wie Hua Dinh Son, der am nächsten Tag die Stadt verließ.
    Jeden Morgen, wenn er eigentlich in der Schule sein sollte, klingelte Robert an Ulrikes Tür. Nach dem vierten Mal war es Ulrike zu lästig, immer aus dem Bett zu springen und zu öffnen, sie gab Robert einen Schlüssel.
    Und jeden Morgen wiederholten sich die Stunden der Ekstase: Robert zog sich aus, schluckte einen Smiley, kroch zu Ulrike ins Bett, schmiegte sich an sie, und wenn er spürte, daß die Wirkung der Droge einsetzte, wenn er sich so leicht fühlte, als könne er mit ausgebreiteten Armen fliegen, wenn das Glücksgefühl alle Hemmungen verdrängte und in seinen Lenden das Blut zu pochen begann, warf er sich über sie, und damit verschwanden Zeit und Raum und alle vom Verstand gesteuerten Hemmnisse.
    Am fünften Tag wagte Ulrike einen Versuch: Sie nahm Robert mit zum Toscana.
    Ohne den bunten Lichterkranz, die Disco-Musik, die Mädchen und Gäste wirkte die Bar erschreckend abstoßend.
    Deprimierend waren auch die hochgestellten Stühle, die alten Seiden- und Samtdekorationen und Drapierungen, die unbeleuchtete lange Bartheke, die Tischplatten, deren Flecken nicht mehr von Tischtüchern überdeckt waren, die Lampen, deren Kristallbehänge nichts mehr von dem Glanz ahnen ließen, den sie am Abend verbreiteten. Eine erloschene Glitzerwelt, in der es keine Illusionen mehr gab.
    Sie waren allein. Brunelli und Bolo erschienen erst am frühen Abend, die Mädchen, der Discjockey, die Kellner ebenso. Nur zwei Putzfrauen, vergrämte ältere Türkinnen, wischten den Boden und polierten die Messingstangen an der Bar und den Barhockern.

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