Die Edda - Die Edda
Tages stand des Königs Gefolgsmann Atli mit anderen Kriegern unter einem Baume, und sie redeten davon, schönere Frauen als die ihres Herrn gebe es nicht. Da hörte Atli einen Vogel auf dem Baume zwitschern, der sagte:
1
Sahst du Siglind,
Swafnirs Tochter,
die schönste Maid
in Munarheim,
ob glänzend auch
im Glasirhain
Hjörwards Frauen
den Helden scheinen?
2 Atli:
Willst du mit Atli,
Idmunds Sohne,
weiser Vogel,
weiter sprechen?
Der Vogel:
Ich will’s, wenn der Edling
Opfer spendet
und ich frei darf wählen
im Fürstenhof.
3 Atli:
Nicht wähle Hjörward,
noch des Herrschers Söhne,
schöne Frauen,
nicht die Frauen
in des Fürsten Hof!
Feilschen wir ehrlich!
Das ist Freundesart.
4 Der Vogel:
Einen Hof will ich
und Heiligtümer,
goldgehörnte Kühe
aus des Königs Gut,
wenn Siglind ihm
im Arme schläft
und ungezwungen
dem Edling folgt.
Atli erzählte dies dem Könige. Der sandte ihn zu König Swafnir ins Swawaland, um Siglind zu werben.
Swafnir hatte einen Ratgeber namens Franmar, der riet seinem Herrn, daß er seine Tochter verweigere. Nachdem Atli einen Winter lang an Swafnirs Hofe gelebt hatte, zog er heim. König Hjörward fragte ihn, was er bringe. Da sagte Atli:
5
Arbeit ward uns,
doch wenig Lohn:
die Rosse erlahmten
im rauhen Gebirg,
durch Sämorns Wasser
wir waten mußten;
versagt ward uns
Swafnirs Tochter,
die herrlich geschmückte,
die wir holen sollten.
Da befahl der König, ein zweitesmal auszuziehen, und diesmal zog er selber mit. Vom Gebirge aus sahen sie im Swawaland brennende Höfe und große Staubwolken von Reiterscharen: ein König namens Hrodmar hatte um Siglind gefreit, er war abgewiesen worden und war nun mit Raub und Brand in das Reich eingefallen und hatte König Swafnir erschlagen. Der Ratgeber Franmar hatte die Königstochter Siglind zusammen mit seiner eigenen Tochter Alof geflüchtet und sie in einem Hause geborgen.
Nicht fern davon schlug König Hjörward mit seinen Mannen das Nachtlager auf. Atli hielt die Wacht; er kam zu dem Hause und sah auf dem Dache einen großen Vogel sitzen. Er schoß den Vogel zu Tode; in dem Hause fand er Siglind, die Königstochter, und Alof. Franmar war es gewesen, der in Adlers Gestalt die Jungfrauen gehütet hatte. Atli führte sie beide zu König Hjörward. Dann zogen sie mit ihnen heim, der König vermählte sich mit Siglind, aber Atli mit Alof.
Hjörward und Siglind bekamen einen Sohn, der wurde groß und schön, aber er war stumm; kein Name haftete an ihm. Einst saß er auf einem Hügel, da sah er neun Walküren reiten; eine darunter war die ansehnlichste, die redete ihn an:
6
Nie wirst du, Helgi,
hoher Kampfbaum,
der Ringe walten
noch der Rödulsflur -
früh ruft der Aar -,
wenn du immer schweigst,
hegst du, Herrscher,
auch Heldenmut!
7 Helgi:
Was nehm ich noch
zum Namen Helgi,
den du mir schenkst,
schimmernde Maid?
Wohl nun wäge
die Worte all!
Nicht denk ich an Dank,
wirst du nicht mein.
8 Die Walküre:
Schwerter sah ich
zu Sigarsholm,
vier nur fehlen
zur Fünfzigzahl;
doch eines ist
das allerbeste,
ein Helmverheerer,
umhüllt mit Gold.
9
Am Knauf ist ein Ring,
in der Klinge Mut,
die Schneide schafft
Schrecken dem Träger;
auf dem Blatte ruht
ein blutiger Wurm,
eine Natter ringelt
am Rücken sich.
Die Walküre hieß Swawa und war die Tochter König Eylimis. Helgi gewann das Schwert von Sigarsholm und war von der Zeit an ein tapferer Kriegsmann, und Swawa schirmte ihn in seinen Schlachten. Für die Tötung Swafnirs, des Vaters der Siglind, war noch keine Rache genommen. Einst sprach Helgi zu seinem Vater:
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Nicht hegst du, Hjörward,
heilsamen Rat,
König der Krieger,
so kühn du bist:
Flammen fraßen
der Fürsten Höfe,
die keine Unbill
dir angetan.
11
Doch Hrodmar darf
des Hortes walten,
der unsern Ahnen
einst gehörte;
sorglos meint er
sicher zu leben,
glaubt alle tot
des Erbes Herrn.
König Hjörward verschaffte Helgi ein Heer. Mit diesem zogen Helgi und Atli gegen Hrodmar und brachten ihn zu Falle.
B. Die Scheltreden mit Hrimgerd
Helgi vollbrachte viele Kriegstaten mit dem Schwerte, wozu Swawa ihm verholfen hatte. Atli begleitete ihn auf seinen Fahrten.
Einst fuhren sie mit der Flotte in den Hatafjord; dort in den Felsen hauste der Riese Hati. Helgi zog gegen ihn und erschlug ihn.
In der nächsten Nacht hatte Atli die Wache auf Helgis Schiff. Da kam Hrimgerd, die Tochter des Riesen Hati, ans Ufer; sie rief Atli an:
12
Wer sind die Helden
im
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