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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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bewegte. Also tat ich das auch auf meinem Bett und stöhnte kurz dazu, die Augen immer noch geschlossen. »Aha«, sagte eine männliche Stimme. Um den dazugehörigen Mann zu erkennen, musste ich die Augen öffnen, also tat ich es. Der Körper war gut sechzigjährig, gedrungen, aber durchaus muskulös, das Gesicht ein Durchschnittsgesicht, Hausmeistergesicht, fiel mir ein, wofür auch die klassische Musik und der graue Kittel sprachen, in dem Hausmeister bekanntlich schon geboren werden.
    »Wo bin ich?«, fragte ich rhetorisch, denn ich konnte mir denken, wo ich war. »Bei mir«, antwortete der Mann wenig ergiebig, »ich bin der Hausmeister hier, Udo Raffke, und wer sind Sie?« Ich stellte mich vor und hob den Kopf. Der tat weh, so weh wie eine Beule nur tun kann. Etwas spannte auf der Kopfhaut, ein Pflaster, wie ich vorsichtig ertastete. »Haben sich wohl beim Hinfallen den Detz auf den Asphalt gehauen, kommt vor. Ist aber harmlos. Was war los? Streit gehabt? Wieder eine von diesen Jugendbanden, die ältere Leute um Geld und Handys erleichtern? Wir leben in einer scheiß Zeit.«
    Ich wollte ihm nicht widersprechen. Aber konnte ich dem Manne offenbaren, dass mich eine nuttig gekleidete Frau umgehauen hatte? Plötzlich sah ich sie wieder vor mir, sie mit den blitzenden Augen und ihre Freundin, die mir so bekannt vorgekommen war. Ich musste eine leichte Gehirnerschütterung haben, denn auf einmal konnte ich klar denken. Ja, sie war mir bekannt vorgekommen. Sehr bekannt.

120
    Mein Kopf schmerzte und meine Körpermitte hatte sich vorläufig und grußlos von mir verabschiedet. Ich setzte mich auf, stöhnte obligatorisch, Haus meister Raffke sah mir interessiert zu und riet: »Zum Kotzen bitte ins Bad und nicht auf die Schlafcouch, wenn’s keine Umstände macht.« Es würde welche machen, das ahnte ich, nickte aber tapfer.
    Die Hausmeisterwohnung bestand aus Wohnküche, Schlafraum und Bad, wie mir ihr Nutznießer erzählte. Raffke lebte hier mietfrei gegen handwerkliche Dienste, ein Frührentner mit lädierten Gelenken. All das berichtete er in gleichmäßigem Tondurchfall, während ich meine Mitte suchte, damit die Bei ne nicht so sehr in der Luft hingen. Raffke hatte mich beim Hinausrollen der Mülltonnen bewusstlos auf dem Gehweg vor dem Haus gefunden, dankenswerterweise nicht ent-, sondern versorgt und zu diesem Zweck in sein Reich geschleppt. »Gottlob waren Sie einigermaßen ansprechbar und auf den Beinen, sonst hätt ich Sie bei Ihrem Gewicht und meinen kaputten Gelenken nicht gepackt. Auf der Couch sind Sie aber gleich wieder ohnmächtig geworden.«
    Es tat gut, auf einer angenehm weichen Unterlage neue Kräfte zu sammeln und Raffke zuzuhören. Er hatte, das war mir klar, zu seiner Lebensgeschichte angesetzt, sie bächelte friedlich und ereignislos durch langweilige Landschaft, ein zwangsbegradigtes Rinnsal auf flurbereinigtem Terrain, ein Leben also, wie es dem Romanautor schnuppe ist und nicht einmal für die Produzenten von Unterschichtenfernsehen wirklich interessant.
    Derweil es sich in meinem noch immer leicht wattierten Gehirn böse gedankenschlängelte. Das Mädchen, dessen Gesicht mir so bekannt vorgekommen war, hatte ich inzwischen zweifelsfrei als das des Herrn Honig identifiziert, auch seine schlagkräftige Begleiterin durfte in frühester Jugend eher blaue als rosa Strampler getragen haben, so die Eltern nicht an Farbenblindheit litten. Nicht dass ich grundsätzlich etwas gegen Travestie hätte oder das Schwulsein. Transsexualität, wie auch immer sie sich manifestierte, nahm ich so gelassen hin wie das handelsübliche Verbinden von Nippel und Lasche. Aber eine neue Erkenntnis war es doch und ich dankbar für jedes Stückchen neuerworbenen Wissens, auch wenn es mit Prügel verbunden gewesen war.
    Raffkes Autobiografie hatte einen ersten dramaturgischen Höhepunkt erreicht, die übereilte, weil durch Samenraub und Scheinschwangerschaft erzwungene Eheschließung mit einer gewissen Gabi, die, als das Shoppen noch Geld-zum-Fenster-rauswerfen hieß, solches ungeachtet irgendwelcher Haushaltssperren und Nettoverschuldungen praktizierte, weshalb sie auch eigentlich hätte Angela heißen müssen. »Die Weiber«, spuckte Raffke und wollte zu all gemeingültigen und sehr bitteren Wahrheiten über das andere Geschlecht ansetzen. Ich unterbrach ihn listig. »Die Weiber, genau. Apropos: Bei euch im Haus wohnen auch – nun ja – merkwürdige Damen.« Raffke stutzte. Merkwürdige Damen? Mitnichten. Ich ließ mich

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