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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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verabschiedete mich. Die Nacht empfing mich frontal an ihrer kältesten Schulter, ich warf ihr einen bösen Blick zu und ignorierte sie fortan.

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    Die frische Luft tat mir gut und auch meinem Kopf, der wie eine zweite Person, die partout nicht mit mir reden wollte, auf dem Hals herumlümmelte und sich eine Beule wachsen ließ, so wie früher die Alpen entstanden, durch den Crash mehrerer tektonischer Platten oder, im konkreten Beispiel, einiger Hirnschalenteile. Aber so langsam würde sich das einrenken und gegen Hochgebirge war ja auch prinzipiell nichts einzuwenden.
    Ich hätte nach Hause gehen und mich pflegen sollen. Die gute Nachricht: Ich war tatsächlich auf dem Weg nach Hause. Die schlechte: Ich kam an der »Bau ernschenke« vorbei, fand sie in ihrem Inneren erleuchtet und gedämpft lärmend, erinnerte mich der Wunderdroge Glühwein, schüttelte mich einmal dramatisch vor Kälte und trat ein. Der Schwall Warmluft und ruheständlerisches Gemecker packte mich sofort, der Stammtisch der Betagten sah zur Tür hin, erkannte mich, drei hochgeworfene Arme winkten mit den Händen, mit was auch sonst. Irmi hockte auf ihrem Platz, the same procedure as every day, Kaninchenpelz und Eierlikör, sie winkte ebenfalls, aber resoluter als ihre Mitrentner und also setzte ich mich zu ihr, sagte »Guten Abend«, erntete einen erstaunten Blick – ich sah wohl noch immer ziemlich derangiert aus – und den wunderschönen alten Spontispruch aus dem Jahr 1968 »Gruppensex oder Schlägerei mit den Bullen? – Unter irgend ne Dampfwalze musst aber heute Abend gekommen sein.«
    Langsam gewöhnten sich meine Augen an die Gaststube und erblickten auch wieder die begeisterten Krimileser und –leserinnen von der Volkshochschule. Sie scharrten sich um einen erkennbar erschütterten Mann mit sehr hoher Stirn, der sich, noch erkennbarer, in den Alkohol geflüchtet hatte, was indes seine Mitsitzer nicht daran hinderte, von allen Seiten auf ihn einzureden. Den Krimiautor sah man ihm schon aus zehn Meilen Entfernung an, ein Kerl wie ein Baum, an den die Eitelkeit schon längst die Kettensäge angelegt hatte.
    Irmi war meinem Blick gefolgt. »Jo«, sagte sie lapidar, »das ist ne arme Sau. Die machen da vom Krimi-Diwan grad ne sogenannte Leserunde und nehmen sich das Bürschlein zu Brust. Aber da musst durch, wenn du gerade einen neuen Krimi auf den Markt geschmissen hast. Nicht schlecht übrigens. Hab mir mein Exemplar schon beim Verlag vorbestellt, der Autor verschickt übrigens auch signierte Bücher ohne Aufpreis. Aber was soll ich mit dem seiner Unterschrift.«
    »Hm«, machte ich, aber meine Aufmerksamkeit wurde abgelenkt, denn hinter dem Tresen tat sich was. Helga oder Monika starrte feindselig zu mir hin, sie hatte mich gewiss erkannt, drehte sich dann um und ver schwand in der Küche, erschien wieder, diesmal mit ihrer Schwester im Schlepptau, die mich mindestens genauso feindselig fixierte. Sie tuschelten ein paar Worte miteinander und kamen dann zu unserem Tisch.
    »Sie sind hier unerwünscht, verschwinden Sie«, grollte Helga oder Monika und Monika oder Helga fügte hinzu: »Oder wir spucken Ihnen einfach in den Glühwein, können Sie auch haben, wenn Sie drauf stehen.«
    Jeder der Anwesenden hatte diese nicht gerade geflüsterten Injurien mitbekommen, abrupte Stille trat ein. Das hier war der größte anzunehmende Unfall in einer Kneipe, die Kernschmelze gewissermaßen. Ich bin ein friedlicher Mensch, kultiviert und heikel bei meiner Wortwahl, der gegenwärtige Zustand meines Kopfes zwang mich nun jedoch zu etwas härterem Vokabular.
    »Wenn ihr beiden Schnallen nicht gleich den Rand haltet, lass ich hier mal ein paar Fotos rumgehen. Tittenmäßig seid ihr Durchschnitt, die Intimrasur lässt auch zu wünschen übrig.« Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, leider fiel gerade keine. »Wow«, murmelte Irmi entzückt, »das ist wie beim Sitzstreik im Juli 1968 im Audimax der FU Berlin, als wir den Dekan ge disst haben. Weiter so.« Sie lehnte sich erwartungsvoll zurück und kippte einen Eierlikör. – Eierlikör?

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    Ich wusste nicht, warum die Eierlikör kippende Irmi mich plötzlich in eine wilde Assoziation verstrickte, in der grimmig grinsende Osterhasen Ostereier auspressten, um Eierlikör herzustellen. Sorry, mein Kopf musste daran schuld sein. Die Vorstellung war grotesk, Irmi sei in diese Affäre verwickelt. Sie tat das, was Hunderttausende reifer Damen tagtäglich in einem Zustand geschmacklicher

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