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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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Frauen halt. Sie haben immer noch zu tun, wenn unsereiner schon längst fertig ist, sich die Haare gekämmt, das letzte Schlafkörnchen aus dem Augenwinkel gerieben hat, noch einmal das Näschen hochzieht und flüchtig überprüft, ob die Eier auch wirklich links in der Hose sitzen, weil das besser kommt als rechts. Aja, ich habs:

    Die Toilette der Frauen
    Vika musterte sich im Spiegel. Kritisch. Sie war eine schöne Frau, nicht zu schön, keine fragile Vase aus der Mingdynastie, die hinter Panzerglas vereinsa men muss, weil kein Mensch es wagt, sie in die Hand zu nehmen. Sie hatte Wiedererkennungswert, wie es Frauen in Stunden des Zweifels nennen, um sich zu trösten, dass die Nase ein wenig zu spitz, die Stirn ein wenig zu fliehend, das Kinn zu massiv, die Beine etwas zu sehr o-förmig sind oder man den Verdacht hat, es sei so und jedem fiele das auf. Wiedererkennungswert also. Originalität. Ein positives Echo im Gehirn des Betrachters.
    Sie zog den Lidschatten etwas nach. Befeuchtete die Lippen, dunkelrot, nicht zu dunkelrot, immerhin. Trat einen halben Schritt zurück (zu mehr hätte es im engen Badezimmer auch nicht gereicht), betrachtete sich im Profil, überprüfte ihre Büste, das Kleid, das sie in Form hielt. Mit ihren Brüsten konnte Vika zufrieden sein. War es aber, natürlich, nie. Und schalt sich dafür. Sie, eine souveräne Frau, eigenständig, selbstbewusst, zupackend – und dann machte sie sich Gedanken über ihre Brüste und überhaupt. Sie tröstete sich, es gehöre zu ihrem Job. Nein, sie wollte Moritz Klein nicht verführen. Dazu hätte sie den ganzen Aufwand nicht betreiben müssen, das hatte sie sofort gemerkt, als er sie im ICE nach Paris wie ein Möbelstück abschätzte. Wie eine Couch, auf der man gerne probeliegen möchte, so ungefähr. Männer halt.
    Vika sah auf die Uhr, es war fünf Minuten nach sieben, Moritz würde warten, sollte er nur. Sie verließ das Bad, die High Heels klackten artgerecht. Lange hatte sie mit sich gerungen, welche Schuhe sie wählen sollte zu diesem eher unspektakulären Kleid, dessen Saum die Knie umspielten. Schwarze Strumpfhosen? Nylons? Oder die Beine nackt, bequeme Schuhe? Sah auch gut aus, aber dann hatte sich Vika doch für die Heels entschieden, also auch für Nylons, hauchdünn mit akkurater Naht. Nicht verführen, oh nein. Sie musste ihn auf Distanz halten. Schon erotisieren, klar, das musste man immer bei Männern. Aber eben: Distanz. Das war der Job, deshalb war sie hier. Sie nahm die kleine dunkelgraue Handtasche, überprüfte ihren Inhalt – was, Frauen wissen das, wiederum eines zehnminütigen Aktes bedurfte –, atmete noch einmal kräftig durch und ging nach unten ins Foyer.

171
    »Ach du hundsverfluchte hirnverquirlte Scheiße.« Hermine beobachtete die Bewegungen ihres Mundes im Badezimmerspiegel. Hatten da nicht zwar klei ne, aber tiefe, sprich unübersehbare Fältchen in den Winkeln gezuckt? Und nicht nur das, waren sie nicht auch in impertinentester Manier sichtbar geblie ben, als der kleine Satz schon längst zu Ende war? Sie wiederholte die Übung, noch langsamer, noch akzentuierter, die Stimme klang dabei ziemlich grotesk. »Aaaaach-duuuuuu-hundzzzzzzzzz-värrrrrrrrr-fluuuuuuuuu---.«
    Fältchen. Sie dachte fatalistisch: Na klar, so ist das halt, wenn man älter wird. Kein Botox, niemals. Das war etwas für die reichen Ladies mit den auf ewig jungen, halbjährlich ausgetauschten Betthüpfern, Hermine jedoch hatte einen Mann, der getreulich mit ihr alterte und jetzt – sie konnte nicht anders, sie musste an ihn denken, sah ihn vor sich, Moritz, in einem tristen Hotelzimmer, einsam und alleine, keine Frau, die sich schön für ihn machte, vor dem Badezimmerspiegel stand, wie Hermine ihre Wangen puderte, den Lippenstift vorsichtig nachzog, den Lidschatten auftrug, ein vorwitziges Härchen mit der Pinzette aus dem rechten Nasenloch eliminierte. Sie trat einen halben Schritt zurück – für einen ganzen war das Badezimmer entschieden zu klein – und betrachtete sich das Ergebnis mit jener nur Frauen eigenen Mischung aus Zufrie denheit und Skepsis, weiblicher Souveränität und bröckelndem Selbstvertrauen, dachte an Irmi, die in einer halben Stunde kommen, sie abholen würde. Zusammen würden sie die Wirtsschwestern besuchen, ganz privat, denn die Bauernschenke hatte heute ihren Ruhetag, und dann musste man die Mädels weiter ausfragen, nach dem entwendeten Fotoalbum und warum es so wichtig sein konnte, nach den Bildern, dem einen vor

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