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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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Orgasmus »den kleinen Tod« nennen. Sie setzte sich an den Küchentisch, rauchte und trank Kaffee.
    Irmi hatte ihren Kaffee getrunken und das Brötchen gegessen. So wie eine Sekretärin morgens die Geschäftspost öffnet, hatte sie den Umschlag unter dem Teller aufgemacht und zehn Hunderteuroscheine herausgezogen, 1000 Affen, was sie beinahe empörte. War Moritz Klein nicht mit 5000 abgefertigt worden? Mit kleinen Rentnerinnen konnte mans ja machen. Sogar bei Schweigegeldern blieben Frauen notorisch unterbezahlt. Andererseits: Sie hatten Moritz die Knarre in den Mund geschoben und abgedrückt. Das war ihr erspart geblieben. Dennoch. Zehn Hunderter. Sie glättete sie versonnen und legte sie auf den Nachttisch neben das Tablett, sie seufzte einmal hörbar auf und erhob sich, sie schwang die Beine über den Bettrand, das linke demonstrativ zuerst und wackelte ins Bad, wo sie sich zu erbrechen fürchtete, dann aber doch nur auf der Klobrille hockte und tat, was sie jeden Morgen nach dem Aufstehen tat. Eine Frau, die gerade eine Begegnung mit Killern hinter sich hatte.
    Eine Frau, die gerade eine Begegnung mit einer anderen Frau hinter sich hatte. Deren Gesicht, als sich Oxanas Fingerspitzen darin von der Stirn bis zum Kinn mäanderten, von kleinen elektrischen Schocks heimgesucht worden war, Schocks, die sich bis in die Fußspitzen fortgepflanzt hatten. Sehr überraschend. Eine Frau. Sonja saß auf der Bettkante, sträubte sich, die Füße auf den Boden zu setzen, weil das den Traum beenden würde, den sie jetzt mit offenen Augen träumte. Kopfkino, ab 18, ein schwülstiger Liebesfilm, man selbst zurückgelehnt mit einer Tüte Popcorn in der Hand. Und dann endet der Film, endet der Traum. Oxana steht auf, die Hände haben gerade flüchtig den Hals berührt, werden dann weggezogen, die elektrischen Schläge hören aber nicht auf. »Dusch erst einmal und dann komm in die Küche, ich mache dir Frühstück«, hatte Oxana gesagt, ihr Gesicht zur Tür gedreht und wieder zurück, gelächelt. Sonja nickte bloß, unfähig sich zu bewegen, auf einem Ellenbogen abgestützt, das Gesicht halb trocken, halb nass, sie wusste nicht mehr, warum sie geweint hatte, doch, sie wusste es genau, aber sie wollte nicht daran denken. Sie musste jetzt aufstehen. Sie stand auf.
    Wie immer, wenn in Irmis Kopfkino düstere Filme über die Leinwand flackerten, schaltete sie den Fernseher an. Der Reporter an der syrisch-jordanischen Grenze, Videos aus einem Gefängnisinnenhof, in der Mitte ein blühender Baum. Schergen des Diktators, die mit nägelgespickten Holzlatten auf halbnackte Gefangene einprügelten, sie auspeitschten, ihre Genitalien mit Stiefeltritten zerquetschten. Das ist die Welt, Irmi, die ganz normale Welt. Das ist Verbrechen. Und du? Kleine Tragödien, ein läppischer Krimi, bisschen Herzklopfen, bisschen Thrill vor dem letzten Schnaufer, den du ganz friedlich in deinem Bett machen wirst, während die Welt... Nicht heulen jetzt. Abputzen. Weitermachen.

187
    Antikrimi

    Er hatte den Fehler gemacht, nach dem Wetterbericht den Fernseher weiterlaufen zu lassen. Und jetzt das. Der Reporter an der syrisch-jordanischen Grenze, Videos aus einem Gefängnisinnenhof, in der Mitte ein blühender Baum. Schergen des Diktators, die mit nägelgespickten Holzlatten auf halbnackte Gefangene einprügelten, sie auspeitschten, ihre Genitalien mit Stiefeltritten zerquetschten. Ausblenden. Hast du gerade nicht gesehen, Marxer.
    Lehn dich zurück, friss Popcorn, genieße die pikante kleine Vorführung in deinem Privatkino, große Leinwand, Dolby Surround, zwei stöhnende nackte Frauenleiber in intimer Verrenkung, die Akustik gegenseitigen Liebkosens, zack, die Latte auf den Rücken eines Gefangenen, er stolpert, er fällt, schon ist ein anderer Scherge über ihm und lässt die Stahlkappen seiner Schuhe testen, was eine Hirnschale so alles aushält. Eine Menge.
    Das Bild auf der Leinwand fror ein, die Wörter auf dem Papier ebenso. »Oxanas Zunge marodierte über die Ebene von Sonjas Leib, strich um die Oase und suchte die Quelle, benetzte sich mit dem salzigen Tau, trug ihn in die Nabelsenke, trug ihn weiter den flirrenden Hügeln am Horizont zu.« So ein gottverdammter Scheiß! So ein albernes Gewäsch!
    Marxer hörte die Füße an seiner Tür vorbeitrippeln, Richtung Bad. Sonja. Er hielt den Atem an. Eine Minute lang, bis er nicht mehr konnte, bis ihm die Ge räusche verrieten, die Frau habe soeben die Duscharmaturen betätigt. Wasserrauschen. Aus dem

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