Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)
Fernseher kam jetzt Werbung. Er fluchte und wollte ihn ausmachen, zögerte. Mach das Ding endlich aus, Mensch! Überhaupt: Mit allem ein Ende machen. Diese scheiß Krimischreiberei, dieses voyeuristische Abgewichse, diese Befriedigung niederer Unterhaltungsbedürfnisse. Okay, war sein Job. Man lebt traditionell gut vom Leuteverarschen, ist halt so.
Reportage, ein griechische Notfallklinik für Schlaganfallpatienten. Der Arzt, er hat in Heidelberg studiert und spricht besser Deutsch als alle Neonazis zusammen, öffnet das Schränkchen mit den Medikamenten. Das hat Marxer mengenmäßig auch in seinem Erste-Hilfe-Kasten. Die Klinik ist pleite, das Geld weg, die Banken freuen sich, die Spekulanten freuen sich, die Korrupten freuen sich.
Irmi schaltete das Gerät aus, in ihrem Kopf rumorte die Wirklichkeit, schön war das nicht, sie schaltete wieder an, ließ einfach laufen. Aber komm, Mädchen, jetzt erst recht! Sie machte sich fertig, packte die 1000 Euro ins Geheimfach ihres Mantels, genehmigte sich zwei Likörchen und betrat das wirkliche Leben, das ihr Friede, Freude, Lebensmittel vorgaukelte, den Fernseher hatte sie an gelassen, die gewöhnliche Mixtur aus Katastrophen, Klamauk und Kaufempfehlungen ratterte ins Leere. Welt!, deklamierte Irmi, ich komme!
Er kam endlich wieder zu sich. Wie ein Junkie, der sich für seinen nächsten Schuss in Form bringen muss, gierend nach der Fiktion, die sedidativ durch die Venen schießt. Aufhören mit dem Rumräsonnieren, dem Zweifeln und Verzweifeln. Einfach an den Schreibtisch setzen, knackige Szenen voller Bewegung inszenieren, er freute sich schon drauf. Krimi schreiben! Hermine faltet einen jungen Filialleiter aber auch dermaßen zusammen... Vika goes James Bond... Irmi trotzt der Wirklichkeit und findet sie schließlich... Oxana, die schöne Oxana, sieht auf, als Sonja Weber frisch geduscht die Küche betritt... Sonja Weber ihrerseits setzt sich neben Oxana, sie werfen sich Blicke zu, an denen Männer verzweifeln würden. Wohlan, alas! Der Dichter ist ein Dichter, wenn er über den Dingen des realen Lebens zum Zyniker wird und über den Dingen seiner Imagination romantisch. Die Wörter, die aufs Papier geworfen werden, sind beides, zynisch und romantisch, und beides ist eins: Ein Mittel, sich durchs Leben zu schleppen, einigermaßen.
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Weiber, die ihre Peitschen selbst mitbringen
Aua. Regitz war nicht zartbesaitet, ein intellektueller Rohling ohne Abitur, aber hier tat schon das Zugucken weh. Maurice Filliac, der schmächtige Hausmeister, hatte soeben seine Faust in Moritz Kleins Magengrube gedonnert, als wäre die Tripolis und Filliac Sarkozy, was er auch ehefrauentechnisch begrüßt hätte. Klein gab einen Laut von sich, in dem mehr Überraschung als Schmerz steckte, sackte zusammen, fiel aber nicht, denn die beiden Burschen hielten ihn ja immer noch fest.
Auch er, Regitz, war von Filliac so empfangen worden. Oder, genauer, so ähnlich. Mit einer Ohrfeige, aber was für einen. Ein Augenzwinkern des Chefs hatte genügt und den Schmächtigen zur Tat inspiriert. Nun war Regitz Regitz. Er konnte etwas aushalten und hatte einen Trumpf im Ärmel. Der Chef sprach gut genug Deutsch, um das schnell zu begreifen, er wurde schließlich fast freundlich. »Tja«, hatte Regitz an das Ende seines Berichtes gehängt, »Sie sehen, ich weiß eine Menge, genug, um euch hochgehen zu lassen. Und das Beste: Selbst wenn ihr mich abmurkst, hilft euch das einen Scheißdreck weiter. Notar, ne? Melde ich mich dort nicht einmal die Woche, wandert der Brief mit sämtlichen Beweisen an die Staatsanwaltschaft und dann ist aber Stimmung in der Bude und der Osterhase sägt sich die Ohren höchstpersönlich ab.«
So waren sie ins Geschäft gekommen. »Ich will mitmachen«, hatte Regitz verlangt, »ich will alles wissen.« »Ok«, nickte der Chef, »aber das ist eine ganze Menge und verdammt kompliziert. Machen Sie doch ein Praktikum bei uns.« Genau das wollte Regitz. Anja, die quietschende Matratze, allerdings: schwerer Fehler. Nur von ihr konnte Klein erfahren haben, wo sich Regitz auf hielt. Ihn nach St. Malo zu locken, war eine hübsche Idee gewesen, ein zusätzlicher kleiner Trumpf. Seht mal, man ist euch schon auf den Fersen. Aber jetzt war ihm der Idiot zu nahe gekommen. Nicht schön.
Auch nicht schön der von einem Schwall französischer Verwünschungen literarisierte Tritt von Filliacs Fuß in Kleins Fortpflanzung. Ach du Scheiße, das wird nix mehr mit der Herstellung genügsamer
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