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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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konnte ich mich nicht mehr halten, alles brach aus mir heraus, ich wies mit dem Finger auf Sonja, meine Stimme überschlug sich: »Weil SIE lügt!«
    Sonja Weber zuckte zusammen, Oxana erstarrte, ich schämte mich ob meines Ausbruchs, wir schwiegen. Eine Minute lang oder zwei oder fünf? Die Stille des Hauses machte mich verrückt. Ich wünschte mir Marxer herbei, den erfahrenen Autor, wie er aus dem Hintergrund treten und sagen würde: »So Kinder, hübsch vertrackte Story, typischer Whodunit, wie üblich thematisch überfrachtet und mit ganzen Legionen roter Heringe gespickt. Aber hoppla, hoppla, jetzt kommt mal zu Potte und entwirrt die Fäden.« Und dann würden alle MICH anschauen, mich, den Helden, mich, den Detektiv. Komm schon, Klein, ermuntern mich die Leser, wir haben dich jetzt lange genug durch die Schwarte begleitet, unsere Köpfe rauchen, wir blicken nicht mehr durch. Gib uns endlich die Auflösung, sag uns, wer es war, wie es war, warum es war. Neben uns liegt schon der frische Nele Neuhaus, fünfhundertnochwas Seiten mit angeklebtem Lesebändchen, das hat was, das ist wie Goethe Gesammelte Werke, ein must read. Also wir hören.
    Wir hörten nichts. Die Stille. Sonja war unter ihrem Makeup sehr blass geworden, Oxana, die kein Makeup trug, atmete laut und unregelmäßig, ich musste etwas sagen, ich hielt die Stille nicht mehr aus. »Entschuldigung«, sagte ich, der ich alles sagen wollte, nur nicht »Entschuldigung«. Oxana nickte und wollte ihrerseits etwas sagen, doch eine Handbewegung Sonjas ließ sie innehalten. In das durchsichtige Gesicht kam Farbe, eine Rötung, glimmende Pünktchen, es glänzte wie eine morgendliche Straße, auf der Tau gefroren war, es... »Moritz hat recht«, sagte es aus diesem Gesicht heraus. »Ich bin eine Lügnerin.« Oxana wollte etwas sagen, doch eine weitere Handbewegung Sonjas verhinderte auch das. Sie ergriff das Glas vor sich, brachte es an die Lippen, trank wie jemand, der zu einer Rede ansetzt. Und räusperte sich. Wir sahen sie an und warteten.

217
    »Ich weiß schon länger, dass mein Bruder Georg in irgendeine dubiose Geschichte verwickelt ist«, begann Sonja Weber. »Als ich mit Lothar... jedenfalls haben sich die beiden angefreundet und bald habe ich gemerkt, dass sie Geheimnisse vor mir hatten.« Sie versuchte sich an einem Lachen, brach aber erfolglos ab. »Zuerst dachte ich: sind die schwul? Stecken die Köpfe zusammen und kichern, das ist doch nicht normal unter erwachsenen Männern. Und immer diese Frotzeleien mit Ostern und Eiern! In einem schwachen Moment... na ja, Lothar hat den Mund nicht halten können. Er wäre bald steinreich, todsichere Sache. Und mein Bruder auch und ich natürlich auch und überhaupt dieser ganze Schleim. Mehr wollte er nicht sagen, ich hab ihm auch kein Wort geglaubt.«
    Sie verlangte nach einer Zigarette und bekam sie. Wir qualmten Marxers Küche voll, Oxana schenkte nach. »Mehr so aus Scherz habe ich dann Georg auf Lothars Quatsch angesprochen. Er wäre ja jetzt bald reich und so. Ihr hättet sehen sollen, wie der zusammengezuckt ist! Wie er Lothar beschimpft hat, kann das Maul nicht halten, der Idiot und so. Da wusste ich: Die planen etwas – und koscher kann das nicht sein.«
    Es war ja nie etwas koscher gewesen im Leben der Geschwister. Sonja schien zu ahnen, dass ich das dachte, vielleicht sah man es mir an, ich kann mich nur schlecht verstellen. Sie nickte in meine Richtung. »Aber wer war ich, über Lothar und Georg zu richten. Was wir in Großmuschelbach anstellten, war ebenso wenig in Ordnung, obwohl wir es zum Wohle der Gemeinschaft taten. Nun ja, nicht alle, ist mir schon klar. Dann veränderte sich mein Bruder. Er bekam Angst. Auch Lothar war längst nicht mehr so locker drauf wie sonst. Etwas war passiert, eine Bedrohung, eine Komplikation, ein unerwartetes Ereignis, ich wusste es nicht. Wenn ich einen der beiden darauf ansprach, wich er mir aus. Sei doch alles in Ordnung, das bilde ich mir nur ein. Sie beruhigten mich, sie nannten mich hysterisch, sie verbaten sich, über die Angelegenheit zu sprechen. Aber ihre Angst – ja, Angst – wurde immer größer. Und dann passierte das mit den Büchern.«
    Sie brauchte eine Pause. Vika nahm Sonjas Kopf und bettete ihn dort, wo Millionen männlicher Köpfe gerne gebettet worden wären. Ich registrierte es seltsam gefühllos. Nach einer Minute richtete sich Sonja Weber auf, setzte sich wieder aufrecht an den Tisch. »Ich arbeitete damals noch in unserer Buchhandlung

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