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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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in Großmuschelbach. Viel verdienen ließ sich da nicht, wer konnte sich schon Bücher leisten. Der Doktor, der Fotograf, ein paar ältere Leute. Wir lebten davon, Zeitungen, Zeitschriften und Glückwunschkarten zu verkaufen, das reichte gerade so. Georg, der ja ab und zu ins Dorf zurückkam, unterstützte uns, indem er das, was er an Büchern brauchte – auch nicht viel, muss ich leider sagen – bei uns bestellte.
    Eines Tages, vor einem halben Jahr etwa, lag wieder ein kleiner Stapel für ihn bereit. Ein Buch über Jersey und eines über Antonio Gramsci sowie ein ziem lich umfangreiches Werk über die Französische Revolution. Ich hatte ihn noch aufgezogen, was er denn damit wolle. Philosophie und Geschichte waren nicht gerade seine Steckenpferde und eine Reise nach Jersey konnte man sich bei ihm auch nicht vorstellen. Er wich mir aus, wurde beinahe patzig. Wenn ich ihn hier ausfrage, dann werde er sich seine Bücher künftig in der Stadt besorgen. Ja, er wirkte gereizt wie so oft in diesen Tagen. Ich drang nicht weiter in ihn.«
    Wieder machte sie eine kleine Pause, rauchte, trank. »Jedenfalls hatte ich die drei Bücher, als sie endlich eingetroffen waren, auf der Ladentheke bereitgelegt, Georg wollte in nächster Zeit kommen. Zuerst aber kam, wie jeden Morgen, unser Fotograf Krause, um seine Zeitung zu kaufen. Er entdeckte die Bücher, sah sie sich an, murmelte. Ich weiß nicht, aber ich glaube, er wurde sehr zornig. Murmelte auch etwas, das wie »Idiot!« klang und verließ dann sehr rasch und ohne Gruß den Laden. Am Nachmittag kam mein Bruder. Beiläufig erzählte ich ihm von Krauses Reaktion – und er wurde ganz bleich, als habe er eine unheimliche Erscheinung.«

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    Oxana und ich sahen uns an. Krause, der harmlose Fotohändler? Den hatten wir nach unserem Besuch in Großmuschelbach stillschweigend von unserer Liste der Verdächtigen entfernt. Und jetzt ein Mitverschwörer? »Das weiß ich eben nicht«, sagte Sonja Weber, »aber mein Bruder zitterte, als er davon erfuhr, dass Krause die Bücher bemerkt hatte. Ich fragte, was denn los sei, er sagte nur ‚Ach was, was soll denn los sein, gar nichts!’ Ich dachte, es hätte etwas mit dem zu tun, was wir in Großmuschelbach veranstalteten, den Partys und so. Aber der Doktor war weiterhin normal und eigentlich lenkte der doch alles.«
    Der Doktor. Ich fragte Sonja, wie sich Krause und der Doktor verstanden hatten, sie schüttelte den Kopf, antwortete »Na ja, ich weiß nicht«, überlegte dann und ergänzte: »Nachdem die Sache aufgeflogen war, haben sie sich gestritten. Der Doktor wollte aufhören, Krause weitermachen. So ein paar Hanseln aus der Stadt« – sie sah mich entschuldigend an – »mit denen würde man doch wohl fertig werden, man solle ihn nur machen lassen, er habe seine Mittel. Aber wir wollten alle nicht mehr, wir wollten das Spiel ein für alle Mal beenden, etwas Solides auf die Beine stellen. Krause musste sich knurrend fügen.«
    Wieder verbrachten wir ein paar Minuten damit, unseren Gedanken nachzuhängen. Die Stille des Hauses drückte auf die Schädeldecken, endlich fuhr draußen ein Auto vorbei und rief »Hey, ich bin’s, das Leben, ich lebe noch«. Ich kam nicht mehr dazu, die spekulative Wildnis in meinem Gehirn wuchern zu lassen und zugleich mit der Machete meines logischen Verstandes einen Trampelpfad durch diesen Dschungel zu schlagen. Denn Sonja Weber ließ eine Träne über die linke Wange rollen und sie sagte: »Als dann Georg verschwand, wusste ich, dass es etwas mit diesem Geheimnis zu tun hatte, mit dem, worüber sie schwiegen, was sie aber in Angst und Schrecken versetzte. Ich fragte Lothar und erhielt keine Antwort, ich fragte Krause und erntete die Drohung, meine Nase nicht in fremde Angelegenheiten zu stecken, das ende selten gut. Alles das« – sie schickte mir wieder einen Blick der Entschuldigung und wischte sich den Tränenrest vom Kinn – »alles das habe ich dir verschwiegen und es tut mir leid. Vielleicht wusste ich damals schon, dass mein Bruder tot sein musste, dass...« Weiter kam sie nicht. Der Tränenvorhut folgte nun die heranpreschende Kavallerie des salzigen Wassers, ein Vorgeschmack darauf was passiert, wenn die Polkappen schmelzen und sich die Fluten über die Küstengebiete hermachen werden. Sonja Weber heulte dabei völlig lautlos, als wolle sie die Stille nicht stören.
    Oxana nahm Sonjas Kopf in beide Hände, zog ihn an sich, küsste die Stirn, streichelte durchs Haar, warf ihre Finger wie

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