Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)
zu werden, es gelang ihr nicht. »Für DAS«, erklär te der Rainer und stellte die Schubkarre ab, »ist es nie zu spät, sag ich immer. Und jetzt gehen wir gleich alle zusammen frühstücken, ich kipp nur noch schnell das Zeug da auf den Haufen. Trabt schon mal vor.«
Am Küchentisch saßen die beiden Grazien der Kommune und begrüßten Irmi mit dem unter Frauen in Konkurrenzkämpfen üblichen Todesblick. Der Konrad schaffte Tassen, Teller und Besteck herbei, schob Irmi den Brötchenkorb zu und forderte sie auf, kräftig zuzulangen, »wer weiß, wann du wieder mal so was Gutes zu spachteln bekommst.« Hm, dachte Irmi, was soll jetzt der Spruch? Er war jedenfalls kaum geeignet, ihren Appetit anzuregen. Sie trank Kaffee, aß ein Brötchen mit biologisch garantiert gesunder Marmelade, schluckte dazu die Blicke der beiden Damen, schwer verdauliche Kost.
Endlich erschien auch der Rainer, sichtlich gut gelaunt. »So, ihr Lieben, was liegt an? Du hast die Kerstin doch nicht einfach so mitgebracht, Konrad?« Er zwinkerte ihm zu. »Da ist doch was im Busch, ne?« Der Konrad räusperte sich und schickte einen Blick in Richtung Irmi, der eine Spur zu freundlich, zu harmlos war. »Genau, Rainer, du sagst es. Die Irmi interessiert sich für unsere Kommune, für die Geldlosigkeit überhaupt, und ja, sie heißt wirklich Irmi und nicht Kerstin, das weiß ich seit gestern Nacht, weil die Kerstin sah doch anders aus, sie hatte einen Leberfleck auf dem rechten Oberschenkel Innenseite und den hat die Irmi nicht.«
Gespannte Stille. Hier läuft gerade eine ziemliche Scheiße, dachte Irmi, wieso Oberschenkel Innenseite, das Licht war doch aus. Aber nicht, als du dich ausgezogen hast, blöde Gans. Nur, wer konnte denn auch ahnen, dass... »Jedenfalls«, fuhr der Konrad fort, »in Irmis Personalausweis steht auch Irmi drin und da hab ich mich doch gefragt, also Konrad hab ich mich gefragt, was soll die Nummer? Will die Alte nur mit dir ins Bett und nimmt die Verwechslung mit der Kerstin als Vorwand oder steckt was anderes dahinter? Und warum ist die überhaupt zu uns gekommen? Interessiert die sich ehrlich für unsere politische Arbeit oder – ist sie undercover für das Schweinesystem unterwegs?«
»Für das Schweinesystem!«, antworteten unisono die beiden Tusneldas. »Hm«, machte der Rainer, »das ist jetzt nicht schön. Ein bisschen neugierig warst ja schon, Kerstin, äh, Irmi. Aber jetzt sag mal: Für wen arbeitest du? In deinem Alter? Reicht die Rente nicht? Hat man dich gezwungen? Und was willst du eigentlich wissen?«
Gute Fragen. Irmi hatte nicht vor, sie zu beantworten. Am liebsten wäre sie aufgestanden und hätte sich gesittet verabschiedet. Würde irgendwie schwierig werden. Sie musste nun etwas sagen und sagte: »Wie kommt ihr denn da drauf? Okay, das mit dem Namen...« «...und mit den Zwillingen!«, ergänzte der Konrad, »das ist nämlich die Übernummer. Mir weismachen wollen, ich hätte Zwillinge! Geht’s noch? Ich poppe immer mit Gummi, da kannst die beiden Mädels hier fragen. Stimmt doch Mädels, oder?« Die Mädels nickten. Auch der Rainer nickte. Nur Irmi nickte nicht. Sie wollte hier raus.
247
Er hatte einen Moment zu lange gezögert, die Waffe aus der Tasche zu ziehen, aufzuspringen, das Weiberquintett zu überwältigen. Wie in einem Western, assoziierte er. Die beiden Kolossinnen waren ihm immer weiter auf die Pelle gerückt, quetschten ihn ein, keine Chance sich zu bewegen, die Hand in die Tasche zu stecken. Ein Glück, dass die auf der rechten Seite nicht misstrauisch wurde wegen des harten Gegenstandes an ihrem linken Oberschenkel. Vielleicht hielt sie das für etwas anderes und genoss es. Nun gut. Abwarten. Krauses Zeit würde kommen. Und etwas anderes auch. Er sah zur Wanduhr. Dreiviertelstunde noch, hoffentlich war der Kerl pünktlich.
»Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden«, sagte er ruhig. Das war überhaupt das Wichtigste: ruhig bleiben, sich unter Kontrolle haben. Die Leute nicht in sich hineinschauen lassen. Aber das hatte er sein Leben lang üben können. Die Kasachin grunzte abfällig. »Der Doktor und ich waren die besten Freunde. Sonja? Du weißt es doch.« Sonja Weber wirkte verunsichert. Schüttelte dann resolut den Kopf. »Sie waren immer eifersüchtig auf ihn. Er war die Respektsperson, Sie hingegen...«
»Der Alte leimt uns«, unterbrach Nancy. »Ich schau mich hier mal um.« Sie verließ das Zimmer, die morschen Dielenbretter ächzten. »Glaub ich auch«, sagte Oxana. »Sie
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