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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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Karriere stehen willige und möglichst kostenlose Arbeitskräfte, die sich gerne ausbeuten lassen. Ich verabschiedete mich von meiner nunmehrigen Heiligen Familie, nicht ohne Jonas mit reichlich Münzgeld, das er fortan »Spesen für Rechercheaufwand« nannte, auszustatten und meine beiden Helfer zu ermahnen, bei ihren Bemühungen Vorsicht walten zu lassen. Den Plüschosterhasen nahm ich wieder mit, Jonas war jetzt ein Mann und brauchte kein Spielzeug mehr.
    Ich überquerte abermals den Christkindmarkt, wo man inzwischen dazu übergegangen war, Glühwein, Punsch, Dampfnudeln mit Vanillesoße (das hatte merkwürdigerweise beim erotischen Abendessen gefehlt) sowie diverse Sorten Rostwürste in die matschigen Schneereste und vor die Füße tapfer intonierender Kinderchöre zu speien. Ähnlich mag es vor Urzeiten auf diesem Planeten zugegangen sein, als Vulkane Lava und pyroplastische Ströme kotzten, um je nes feste Land zu erschaffen, auf dem man Christkindmärkte veranstalten konnte.
    Ein alter isländischer Brauch kam mir in den Sinn, das Samstagskotzen. Jeden Samstagabend nämlich gibt sich der Isländer in den Kneipen und Bars seiner Hauptstadt die Kanne, große Mengen Alkohol vermischen sich mit großen Mengen Frust und die explosive Mischung wird, wenn der Morgen schon dämmert, mit Grandezza auf die Trottoirs und Straßen erbrochen. Eine uralte Tradition zur Erhaltung der psychischen Volksgesundheit, die in unseren Breiten eher saisonal, auf Weihnachts-, Christkind- und Nikolausmärkten hochgehalten wird.
    Islamistische Sprengstoffkoffer sah man nirgendwo, man hatte sie wohl vor den Zentralen der deutschen Stromanbieter deponiert, wo sie auch am besseren Platz waren. Ich war froh, als mich weniger belebte Straßen aufnahmen, meine Gedanken sich auf das Wesentliche konzentrierten, jenen dämlichen Satz des Osterhasen nämlich, den ich auswendig kannte und mir immer wieder vorsagte: »Kein Radfahrer wäscht Brot, wenn die Sonne im Kino Liegestütze macht oder der Hirsch nächtens gegen die Brandmauer pinkelt.« Die Geschichte wurde immer verworrener. Schon die abendländische Philosophie hat – soweit ich sie überblicke – erkannt, dass der Grad der Verworrenheit proportional mit dem Grad der Erkenntnis wächst. Das nennt man paradox. Alles zu wissen, würde demnach bedeuten, gar nichts zu wissen, nichts zu wissen aber im Umkehrschluss nicht, alles zu wissen. Was ich persönlich sehr bedauerlich fand.
    Endlich daheim. Ich hatte mich auf meinem Weg nicht um mögliche Verfolger geschert. Irgendwie war ich gerade fatalistisch, die Dinge sollten auf mich zukommen, ich machte auch kein Licht im Treppenhaus, quälte mich treppauf und tastete nach meinen Schlüsseln. Bevor ich den passenden ins Schloss stecken konnte, legte sich eine Hand auf meine Schulter und eine dunkle Stimme flüsterte ein wenig außer Atem: »Na endlich. Ich habe schon auf dich gewartet.«

50
    Regitz sah nicht so aus, als habe er einen entspannten Abend im Kreise seiner Lieben verbracht. Sein linkes Auge war irgendwie nicht mehr vorhanden, man brauchte einen scharfen zweiten Blick, um es inmitten blutverkrusteten, geschwollenen und enthäuteten Fleisches am SOS eines flackernden Pupillenrests zu identifizieren. Dem rechten Auge war es besser ergangen. Es steckte in einem blauschwarzen Ring, wie ihn jeder betrunkene Ehemann seiner Holden ohne weiteres zu schlagen versteht.
    »Meine Nase ist wenigstens nur angebrochen«, flüsterte Regitz schwer und fügte resigniert hinzu: »Hab ich wenigstens bis vor zehn Minuten geglaubt.«
    Es war mir endlich gelungen, die Wohnungstür zu öffnen, Regitz stolperte an meiner Wenigkeit vorbei, geschätzte drei Zentner zerprügelten Egos, so dass ich aus lauter Menschenfreundlichkeit »Wie viele waren es?« fragte und Regitz drei Finger hob ausstreckte, etwas zögerte und schließlich einen wieder wegknickte. »Aber solche Krawenzmänner, die siehst auf keinem Jahrmarkt.«
    Ich verzichtete auf Licht in der Küche, Regitzens Augen würden es mir danken. Wir saßen uns eine Weile gegenüber, bis der geschundene König der Gelegenheitsarbeiter nach »Bier!« verlangte, ich im Kühlschrank tatsächlich noch ein Fläschlein fand und wortlos kredenzte. Sein Inhalt verschwand mit einem einzigen schmatzenden Sauggeräusch in der Aufgewühltheit eines Magens.
    »Was ist passiert?«, fragte ich, weil es die Frage war, auf die Regitz gewartet zu haben schien. Er berichtete mit schwerer Zunge, aber flüssig, zwei Männer

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