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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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bis drei zählen. Sie schüttelte den Kopf und sagte: „Also nee, der Albert war ein Freund, mehr nicht. Ich bin nicht die Mutter von den beiden und hab auch keinen Sohn, der mit einer... Und wieso weißt du, dass ich Lonig heiße? Ich hab kein Namensschild unten hängen.“
     
     
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    Bis ich meine Geschichte zu Ende erzählt hatte, war es beinahe Mitternacht geworden. Irgendwo tickte eine Uhr, sie sagte Mmmmmh-Mmmmmh, Irmi imitierte sie – oder andersrum. Eine neue Flasche Eierlikör war geöffnet worden, in meiner Verzweiflung beteiligte ich mich an der Verkostung, aber was hätte ich tun sollen? Irmi wollte wissen, woher ich den Namen Lonig kannte, ihren Namen. Nachdem ich ihr berichtet hatte, machte sie nur „is ja’n Ding“ und nahm tief Luft.
    „Die Lonigs, musst du wissen, waren einmal so etwas wie die Neckermanns hier in die Stadt. Vorm Krieg kleine Scheißer, dann durch die Arisierung zu zwei Kaufhäusern gekommen, im Krieg ausgebombt und nach dem Krieg generös entschädigt. Kennt man ja, die ganze Litanei. Trümmerfrauen, Wiederaufbau, Wirtschaftswunder und ab den Achtzigern gings langsam bergab, der kaufmännische Zweig unserer Familie degeneriert, ein Cousin hochgradig schwachsinnig, was ihn zum Chef prädestinierte, leider von seiner Frau und ihrem Clan finanziell aufs Kreuz gelegt worden. Kurz und knapp: In den Neunzigern waren sie pleite, mit der Fortpflanzung hatten sie es auch nicht so und sind, bis auf mich, das schwarze Schaf, ausgestorben.“
    „Und Gebhardt und Lonig?“ Irmi lachte. „Ja, das ist das einzige, was mich in dieser verfluchten Stadt noch an meine Familie erinnert. Da haben sie sich vor vierzig Jahren eingekauft, später, als alles den Bach runterging, hat die Gebhardts den Namen behalten, war halt gut eingeführt.“ Es gab also keinen Herrn Lonig – aber irgendwie gab es ihn doch, Lydia Gebhart hatte ihn erwähnt.
    Irmi schwieg und im Stillen danke ich ihr dafür, dass sie mich mit weiteren Details ihrer Familiengeschichte verschonte. Sollte man einen Fernseh-Vierteiler daraus machen, würde ich gnadenlos weiterzappen. „Aber die Sache mit den Kindern ist wirklich übel. Das hätte ich Helga und Monika nicht zugetraut.“ Jetzt war es an mir, den ganzen gesammelten Pessimismus meiner Lebenserfahrungen in eine wegwerfende Handbewegung zu legen. Geht doch um Kohle, Mensch! „Würde mich nicht wundern, wenn sich auch das schönreden ließe und irgendjemand die Idee aufgreift und ‚Arbeitsplätze!’ krakeelt.“
    Dem hatte Irmi nichts entgegenzusetzen. „Ich red aber mal mit den Mädels. Sind ja keine schlechten, nee, bestimmt nicht. Gibst mir deine Telefonnummer?“ Sie wäre die erste Frau gewesen, der ich meine Telefonnummer nicht gegeben hätte. Irmi nötigte mich zu einem letzten klebrigen Oralmissbrauch und tatsächlich, wenn man besoffen genug war, schmeckte das Zeug gar nicht mal so übel. Wir küssten uns an den Wangen vorbei, ich sagte der Holzstiege Adieu - sie knurrte mir nur verächtlich ‚hau ab’ hinterher – und trat in die Nacht, in die Stille, in die Kälte.
    Es war ein anstrengender Tag gewesen, viele Fragen, viele Antworten, aus denen noch mehr Fragen gekrochen kamen, ich konnte gar nicht so schnell laufen, wie ich vor ihnen Reißaus nehmen wollte. Der 29. Dezember, dämmerte es mir, als vom Kirchturm ein einsamer Schlag verhallte. Einen Lonig gab es nicht, einen Herrn Lonig gab es wohl. Vielleicht ein Untoter, vielleicht der krimibekannte Onkel, der vor 50 Jahren nach Südamerika auswanderte, dort verscholl, für tot erklärt wurde und jetzt als Finsterling die alte Heimat beehrte. Südamerika? Chile? Zu Chile gehörten die Osterinseln. Tinnef. Gut, dass ich keine Ambitionen zur Kriminalschriftstellerei hegte, mit meiner durchgeknallten Phantasie würde ich es im Handumdrehen zum Bestsellerautor bringen.
     
     
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    Es war genau zwei Uhr, als ich die Augen schloss und von den Liebeslauten einer rolligen Katze (konnte auch meine Nachbarin gewesen sein) in den Schlaf geschickt wurde. Das nächste, was ich von diesem 29. Dezember hörte, klang wie das Hupen eines Autos und weckte mich. Da ich zu träge war, auf meine Armbanduhr zu gucken, wartete ich auf den nächsten vollen Glockenschlag vom Kirchturm, er kam nach einer gefühlten Ewigkeit und verkündete mir – wenn ich mich nicht verzählt hatte -, es sei exakt elf Uhr. Ich glaubte ihm und mir und stand auf.
    Doch, es macht Spaß, mit einer Tüte frischen Backwerks, dazu ein obszönes Lied

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