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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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übliche Hackfresse mit Hakennase. „Moritz denkt nicht“, belehrte ihn Jonny, „Moritz weiß. Zum Beispiel, dass er vor ein paar Minuten zur falschen Zeit am falschen Ort war. Stimmt doch, Moritz, oder?“
    Was blieb mir anderes übrig, als kurz zu nicken, wobei Jonnys Pistolenlauf eine kleine Rinne in mein Schläfenfett zeichnete. „Tja, dumm gelaufen“, bedauerte mich Jonny aufrichtig, „und was noch schlimmer ist: Du wirst auch dumm sterben.“ Das hatte ich befürchtet. Bernie fuhr auf der Ringstraße um die Stadt, nahm die Ausfahrt zum Stadtwald, wo sich jungfräulicher Schnee auf eine Portion frisches Blut freuen durfte.
    War es nun an der Zeit, Abschied von der Welt zu nehmen? Früher hatte ich mir überlegt, welches mein letztes Wort auf diesem Planeten sein würde, „Scheiße“ schien mir zu gewöhnlich, das sagen wahrscheinlich 80 Prozent, „Kartoffelsuppe“ schon besser, „urgs“ zu erwartbar, aber „Schildkrötensperma“ sicherlich noch nie da gewesen, es garantierte mir vielleicht die Unsterblichkeit. Aber eigentlich dachte ich an etwas anderes, und das war so komisch, dass sogar Jonny darüber gelacht hätte. Daran nämlich, ob mich die Kugel einer Pistole oder eines Revolvers ins Jenseits befördern würde. Ich kannte den Unterschied nicht, wusste aber, dass es einen gab. Ob ich Jonny fragen sollte? Es wäre auch noch nie dagewesen und bestimmt ein witziges Stück Konversation bis zur Hinrichtung.
    Ich habe Waldwege schon immer gehasst, ohne zu wissen warum, jetzt, als wir in einen bogen, wusste ich es. Sie sind deprimierend. Bernie ließ das Auto durch das frostharte Gelände rumpeln, der Pistolen- oder Revolverlauf – irgendwie hatte ich das Interesse am Unterschied gerade verloren – fuhr an meiner Schläfe auf und ab, „fahr nicht wieder so wie Sau, Bernie“, sagte Jonny und dann: „Stopp. Hier is doch gut, oder?“
    Erwartete er eine Antwort von mir? Ich gab keine. Der Motor erstarb, haha, auch witzig, aber er würde wieder anspringen, was nicht von allen Beteiligten behauptet werden konnte. Also sterben. Auch mal ganz interessant, hat man ja nicht so oft im Leben. Engel? Teufel? Himmel oder Fegefeuer oder gar nichts? Irgendein Umtauschrecht, bei Nichtgefallen Leben zurück? Wirklich witzig. „So“, sagte Jonny und ich hörte ihn tief durchatmen. „Dann bringen wir die Sache mal hinter uns. Spät genug, wollen doch alle schlafen gehen. Oder, Moritz?“
     
     
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    „Weißt du was geil wäre, Jonny?“ „Öhm, wenn du endlich mal die Klappe halten würdest?“ fragte der zurück. Bernie kicherte das Lachen derjenigen, die einen Witz nicht verstanden haben. „Joar, auch, na logo. Aber noch geiler? Wenn wir uns den Moritz hier für heute Abend aufheben würden. Unser persönlicher Silvesterknaller, ne? Wir haben doch noch was Plastiksprengstoff im Kofferraum.“
    Die Burschen begannen mich ernsthaft zu nerven. Ich stellte mir gerade vor, wie es sein musste, in der Sekunde vor dem Tod jenen Film des eigenen Lebens zu sehen, der unweigerlich vor dem inneren Auge abläuft. Sagt jeder, der schon einmal in tödlicher Gefahr gewesen war und mit dem Dasein abgeschlossen hatte. Die Highlights der eigenen Existenz und das alles dauerte nicht länger als die Werbeunterbrechung von „Wer wird Millionär?“, nein, noch nicht mal das. Welche Szenen würde der große Psychoregisseur für mich zusammenstellen? Wie wären sie geschnitten, wie dramaturgisch aufbereitet? Begänne es mit den Sekunden der ersten bewussten Erinnerung und verliefe dann chronologisch – oder wäre es mehr experimentell, wild durcheinander, psychedelisch wie anno 68, eher im Stil von Ingmar Bergmann, Alfred Hitchcock oder, das befürchtete ich, einer Episode von „Die Schwarzwaldklinik“ zum Verwechseln ähnlich sehend?
    „Nö“, sagte Jonny jetzt, „was sollen wir denn mit dem Kerl bis heute Nacht anfangen? In den Kofferraum mit dem Plastiksprengstoff sperren?“ „Wäre doch auch nicht ungeil, dann könnten sich die beiden mal miteinander anfreunden.“ Bernie lachte laut und kramte nach Zigaretten. „Willst eine, Moritz? Die letzte?“ „Rauchen ist ungesund“, gab Jonny zu bedenken. „Da lebst statt 2 Minuten nur noch eine.“ Bernie schüttelte sich vor Amüsement. „Mann, immer wieder cool so eine Hinrichtung. Aber nicht im Auto, das schmutzt doch so.“ „Ist doch nur ein geklautes“, relativierte Jonny. „Ich steig doch hier nicht aus und mach mir die Schuhe dreckig. Kleines Loch in die

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