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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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eigentlich? Seinen Killer kennen gelernt hatte?
    Wir grübelten weiter. So vor uns hin. Völlig sinnlos. Wie immer. Aber was ist schon Sinn.
     
     
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    Wo waren sie hier eigentlich? In einem anachronistischen Häkelkrimi beim Lösen irgendwelcher Geheimnisse? Er, Marxer, der pfeifenrauchende, geigekratzende, gelegentlich kiffende und ansonsten brillant kombinierende Sherlock Holmes? Gefiel ihm alles nicht. Er hatte keine überzeugende Antwort auf die Fragen des Zettels gefunden, überhaupt: Was war denn DAS? Ein Beinahetoter kritzelt ein paar Wörter auf ein Stück Papier, haha, ganz alte Kiste, konnte man heute nicht mal mehr in der „Soko Kitzbühel“ unterbringen.
    Sogar Jonas' Deutungsansatz war mit größerem Interesse aufgenommen worden als der seine. „Also ich mein jetzt mal, wieso eigentlich Ouzo? Vielleicht hat der Typ das einfach nicht richtig verstanden und 'Uh, so' gemeint oder USA oder You saw. Das ist Englisch, aber fragt mich jetzt nicht, was es heißt.“
    Amateure! Marxer stand eine lange Nacht bevor, denn natürlich würde er den ominösen Zettel durch sämtliche Maschinerien seines Gehirnes jagen, ihn der Inquisition seines Geistes überantworten, bis der Bursche, schlotternd vor Angst, seine Mysterien gestehen würde. Oder auch nicht. Für diesen Fall hatte Marxer bereits einen detektivischen Plan B, den Verdacht nämlich, Rath sei gar nicht der Verfasser des Zettels, dieser nichts sonst als eine ausgelegte falsche Spur, ein red herring, wie ihn die Kriminalliteratur gerne in den Boden rammte. Sei's drum. Er würde obsiegen.
    Es war schon weit nach Mitternacht, als sich die Runde endlich auflöste. Mit leichtem Neid registrierte Marxer, dass Hermine ihren Moritz in dieser Nacht nicht mehr aus den Augen lassen und zu diesem Zweck in ihr Bett packen würde, mit den üblichen Zeremonien natürlich. War doch der Hallodri quasi von den Toten auferstanden, hatte – das musste man ihm lassen – ein veritables Abenteuer erlebt und sich so die Belohnung auch verdient. Marxer ließ sich von Oxana nach Hause chauffieren, Sonja Weber neben sich, sie schwieg und gähnte zwischendurch.
    Aber es kam alles anders. Daheim warf sich Marxer in Schlafanzug und Morgenmantel, drehte die Heizung runter, weil zuviel Wärme für die kleinen grauen Zellen nicht gut war, ließ sich von Oxana einen Kakao mit einem Schuss Rum zubereiten, dazu eine Schale mit Salzgebäck, entließ seine Angestellte dann in den Feierabend, den sie – schrecklich köstliche Vorstellung – in den Armen und wer weiß wo sonst noch überall von Sonja Weber verbringen würde. Dann setzte er sich an den Schreibtisch, schrieb die vermaledeiten Wörter in Großbuchstaben auf ein Stück Papier und starrte sie an. Als er erwachte, fuhr draußen gerade die Zeitungsfrau vor, es war also Punkt halb sechs.
    Nicht einmal den Kakao hatte er getrunken. Er stank ihm jetzt in die Nase und wurde angewidert zur Seite geschoben. Ouzo. Ein Getränk. Das hatte der Killer bestellt und Rath an etwas erinnert. An etwas, das mit dem Killer in keinem Zusammenhang zu sein brauchte. Natürlich nicht! Aber warum hatte es der Vergiftete dann mit letzter Kraft zu Papier gebracht? Weil es etwas mit dem Fall zu tun hatte. Bis zu welchem Punkt war Raths Billard mit den Dialogen gediehen, bevor er die Toilette aufgesucht hatte, um dort unerwartet sein Leben auszuhauchen? Dieser Kriesling-Schönefärb an der Brottheke. Geldlos. Dann der Killer, der bei der Bedienung einen Ouzo bestellt. Einen Anisschnaps. Anis. Annies. Annie die Abkürzung von Marianne, Marianne. Das französische Nationalsymbol, während der Französischen Revolution als Symbol der Freiheit mit einer phrygischen Mütze dargestellt. Phrygische Mütze? Schnell googeln. „Die phrygische Mütze war dem Ursprung nach ein gegerbter Stier-Hodensack samt der umliegenden Fellpartie. Nach der mythischen Vorstellung der Griechen sollte ein solches Kleidungsstück die besonderen Fähigkeiten des Tieres auf seinen Träger übertragen.“ Griechen! Akropolis!
     
     
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    Die Person mit der Maske hatte sich eine Mütze aufgesetzt, eine Zipfelmütze ohne Bommel (es gab einen Namen dafür, aber der fiel Vika nicht ein), sah aus wie bei einem Mainzelmännchen oder den Schlümpfen. Vika ignorierte den Kerl (Kerl?) und bewegte sich weiter im Rhythmus des ätherischen Kitsches, der aus den Lautsprechern suppte.
    Einmal war sie kurz aus dem Zug getreten, um zu telefonieren. Maskenfigur hatte ebenfalls das hüpfende Reptil

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